EuGH wird über deutsches Leistungsschutzrecht entscheiden

Am 10. Mai 2017 - 5:09 Uhr von Tom Hirche

Die rechtliche Auseinandersetzung zwischen Google und der VG Media wird um ein neues Kapitel ergänzt, bevor das aktuelle abgeschlossen wird. Zunächst wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden müssen, ob das deutsche Leistungsschutzrecht überhaupt anwendbar ist.

Hintergrund

Die Verwertungsgesellschaft nimmt das Leistungsschutzrecht verschiedener Presseverlage war (u.a. Axel Springer, Funke Mediengruppe, DuMont und Handelsblatt). Vor dem Berliner Landgericht verlangt man vom Suchmaschinenanbieter Schadensersatz. Grund: Dieser habe Anrisstexte (Snippets) und Vorschaubilder zu den Newsartikeln präsentiert, ohne dafür zu zahlen. (Hinweis: Google zahlt auch jetzt nicht, hat sich jedoch bereits vor einiger Zeit eine Erlaubnis der Verlage eingeholt.)

Das eigentliche Ziel der VG Media ist es, gerichtlich feststellen lassen, dass Snippets wie Google sie verwendet nicht unter die Ausnahme für "einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte" fallen, sodass aus dem Leistungsschutzrecht der Verlage Zahlungsansprüche erwachsen.

Doch dieses Vorhaben ist erst einmal gestoppt worden. Der Vorsitzende Richter Scholz hat das Verfahren ausgesetzt und will zuvor vom EuGH eine grundlegende Frage geklärt haben: Hätte das deutsche Leistungsschutzrecht vor seiner Einführung ein Notifizierungsverfahren bei der EU-Kommission durchlaufen müssen?

Anforderungen des EU-Rechts

Die Richtlinie 98/34/EG sieht in Artikel 8 Absatz 1 ein besonderes Verfahren vor, wenn ein EU-Mitgliedsstaat ein Gesetz erlassen will, das speziell auf Dienste der Informationsgesellschaft abzielt. Bereits im Entwurfsstadium muss demnach die EU-Kommission über das Vorhaben informiert werden (sog. Notifizierungsverfahren). Anschließend haben sie sowie die restlichen Mitgliedsstaaten für drei Monate die Gelegenheit, Stellungnahmen abzugeben. Währenddessen besteht auf nationaler Ebene eine Stillhaltephase, während der das Gesetzesvorhaben nicht weiter vorangetrieben werden darf. Nach Ablauf der Frist müssen die Stellungnahmen ihm Rahmen des nationalen Gesetzgebungsverfahrens berücksichtigt werde.

Aus internen Behördenmails geht hervor, dass das Bundeswirtschaftsministerium während des Gesetzgebungsverfahrens von einer Notifizierungspflicht ausging. Federführend war jedoch das Bundesjustizministerium, dem offensichtlich mehr daran gelegen war, das Gesetz noch schnell durchzupeitschen und damit sehenden Auges in die sich anbahnende Blamage rannte.

Folge: Unanwendbarkeit

Ob ein Notifizierungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen, kann nur der EuGH entscheiden – entweder infolge eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen den Mitgliedstaat oder im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens wie jetzt hier geschehen. Das Landgericht jedenfalls sieht in seinem Beschluss die Voraussetzungen eines Notifizierungsverfahrens für gegeben an. Die Folge: Ein nicht-notifiziertes Gesetz ist schlicht unanwendbar, quasi nicht existent. Eine Unanwendbarkeit wegen eines formalen Fehlers während des Gesetzgebungsverfahrens auf den von mehreren Seiten hingewiesen wurde wäre das passende Ende für ein so miserables Gesetz.

Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, erklärte anlässlich des Beschlusses:

Das Leistungsschutzrecht ist ein schlecht gemachtes Gesetz, ist inhaltlich falsch angelegt und gehört daher abgeschafft. Stattdessen wird das tote Pferd jetzt noch zum Europäischen Gerichtshof geritten, wo sich der Streit fortsetzt. Zur inhaltlichen Frage, wie in der Zukunft Journalismus im Netz finanziert werden kann, wird in der Zwischenzeit aber nichts beigetragen.

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