Am 1. Oktober 2013 - 16:18 Uhr von Tom Hirche

Der Schutz des Presseverlegers gemäß § 87f bis § 87h UrhG

Publikationsdatum 01.10.2013 ~ Art des Materials: Akteure: Schlagworte: Soziales System: Lizenz: 

Prof. Dr. Christian Alexander untersucht in seinem Beitrag für die Zeitschrift Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP) die gesetzlichen Grundlagen des Leistungsschutzrechts für Presseverleger und stellt dar, welche Konsequenzen sich ergeben. So viel sei vorweggenommen: Auch er sieht reichlich Klärungsbedarf.

Das Leistungsschutzrecht des Presseverlegers gebe ihm das Recht, selbst zu entscheiden, wann und wie das Presseerzeugnis öffentlich zugänglich gemacht werde. Dieses Recht stehe dem Verleger aufgrund seiner unternehmerischen Leistung, also „der Übernahme der wirtschaftlichen Verantwortung und der organisatorischen Tätigkeit“, zu. Gemäß dem Gesetzeswortlaut soll dieses Recht dem Hersteller des Presseerzeugnisses zustehen. Damit sei nicht der einzelne Mitarbeiter gemeint, sondern die Person bzw. das Unternehmen, dem die unternehmerische Leistung zuzurechnen sei.

Um zu wissen, wem ein Recht zusteht, muss zunächst feststehen, wann ein Presseerzeugnis vorliegt. Eine Definition findet sich im neuen § 87f Abs. 2 S. 1 UrhG: „Ein Presseerzeugnis ist die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel auf beliebigen Trägern periodisch veröffentlichten Sammlung, die bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen ist und die nicht überwiegend der Eigenwerbung dient.“ Hier bestehe viel Interpretationsspielraum.

Ausgehend von der näheren Erläuterung in § 87f Abs. 2 S. 2 UrhG lasse sich der Begriff des „journalistischen Beitrags“ sehr weit verstehen. Erfasst seien sämtliche Artikel und Abbildungen, die der Informationsvermittlung, Meinungsbildung oder Unterhaltung dienten. Auf Art, Inhalt und Qualität komme es nicht an.

Die Verwendung des Begriffs „Träger“ sei missverständlich, weil man im Zusammenhang mit Presseerzeugnissen zunächst nur an Druckwerke denke. Da es bei dem Gesetz aber gerade um die Verwertung von online gestellten Inhalten gehe, könne diese enge Auslegung nicht zutreffend sein. „Träger“ meine deshalb eher eine Art Plattform, „auf der die journalistischen Beiträge redaktionell-technisch zusammengestellt und in ihrer Gesamtheit präsentiert werden.“ Dafür bedürfe es allerdings eines Mindestmaßes an inhaltlicher Gestaltung. Eine lediglich fortlaufende Archivierung erfülle diese Voraussetzung bspw. nicht.

Suchmaschinenanbieter und Newsaggregatoren könnten sogar selbst in den Genuss des Leistungsschutzrechtes kommen. Alexander hält dies dann für möglich, wenn es für eine redaktionell-technische Festlegung auf einem bestimmten Träger als ausreichend angesehen werde, dass „eine nach redaktionellen Kriterien vorgenommene automatisierte Auswahl und Festlegung von Beiträgen“ erfolge. Daneben müssten allerdings die weiteren Voraussetzungen erfüllt sein.

Unklar sei, weshalb das Presseerzeugnis, um als solches i.S.d. Urheberrechts zu gelten, periodisch, also regelmäßig, erscheinen müsse. Eine einmalige Zusammenstellung von journalistischen Beiträgen sei davon ebenfalls nicht erfasst. Im Presserecht reiche es aus, wenn Druckwerke (unregelmäßig) im Abstand von höchstens sechs Monaten erschienen, um als periodisch zu gelten. Alexander spricht sich für einen parallelen Maßstab für das Leistungsschutzrecht aus.

Das Merkmal „verlagstypisches Erzeugnis“ ermögliche eine wertende Eingrenzung. Es komme nicht darauf an, dass überhaupt ein Verleger tätig geworden sei, sondern „ob es sich bei dem in Rede stehenden Erzeugnis nach allgemeiner Lebensauffassung typischerweise um ein Produkt handelt, das auf einer verlegerischen Leistung beruht und damit als verlagstypisch anzusehen ist.“ Es sei folglich unerheblich, ob ein Zeitungsartikel gedruckt oder online publiziert werde. Online-Auftritte von Rundfunkanbietern hingegen seien nicht als verlagstypisch anzusehen. Schließlich richte sich der Wortlaut des Gesetzes nur an Presseverleger und sei das Rundfunkrecht bemüht, Presse- und Rundfunktätigkeiten zu trennen.

Sind alle Voraussetzungen erfüllt, dann stehe dem Presseverleger das Recht zu, das Presseerzeugnis zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. Mit letzterem ist das Bereithalten für jedermann auf einer Internetseite gemeint. Der Begriff des gewerblichen Zwecks sei sehr weit zu verstehen. Gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten, müssen demnach vom Verleger eine Erlaubnis einholen und ggf. Gebühren entrichten, wenn sie ein Presseerzeugnis oder nur Teile davon für ihren Dienst übernehmen wollen.

Allerdings sieht das Gesetz auch eine Ausnahme vor: Ungefragt und ohne anfallende Kosten dürfen „einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte“ übernommen werden. Dem liege der Grundsatz der Freiheit von Informationen zugrunde. Der Zugang zu Informationen  im Internet hautsächlich vermittelt durch Suchmaschinen  solle durch das Leistungsschutzrecht nicht erschwert oder gar unmöglich gemacht werden. Über das Platzieren des bloßen Links hinaus solle eine Einordnung des verlinkten Inhalts erhalten bleiben. Schließlich liege dies auch im Sinne des Presseverlegers. Fraglich sei nur, wo die Grenze zu ziehen sei. Dafür eine feste Anzahl an Wörtern heranzuziehen halte Alexander nicht für den geeigneten Weg. Stattdessen müsse danach geschaut werden, „ob die Information in der Verlinkung über eine Mindestangabe zum Verlinkungsziel hinausgeht.“ Der Nutzer müsse anhand der Wörter entscheiden können, ob er dem Link folgen möchte. Ganzer Sätze bedürfe es dafür in den meisten Fällen nicht; schon gar nicht ganzer Textausschnitte aus dem Presseerzeugnis. Stattdessen würden prägnante Kurzaussagen wie „Merkel in Paris“ ausreichen.

Alexander befürchtet, dass es zumindest in der Anfangszeit zu erheblicher Rechtsunsicherheit komme. Fraglich sei, weshalb Presseverleger anders behandelt werden sollen als andere Medienunternehmen. Außerdem reihe sich das Gesetz in die „bedenkliche und kritikwürdige Tendenz ein, wonach Presseunternehmen vielfach durch die Rechtsordnung vor Wettbewerb geschützt werden.“ Damit meint er die Regelungen zur Preisbindung von Büchern und Zeitschriften (§ 30 Abs. 1 GWB bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 3 BuchPrG). Laut der Gesetzesbegründung sollen zwar nicht alte und überholte Geschäftsmodelle geschützt werden, jedoch werde genau dies erreicht, so Alexander. Der Zugang sowie die Auswertung von Informationen durch innovative Suchmechanismen werde erschwert.

Wäre der lautstarke Ruf nach einem Leistungsschutzrecht auch erhoben worden, wenn die Presseverleger das Geschäftsmodell der Suchmaschinen und Aggregatoren für sich selbst rechtzeitig entdeckt und wirtschaftlich erschlossen hätten?
 

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