Am 18. Dezember 2015 - 8:52 Uhr von Tom Hirche

Der geeignete Zeitpunkt für eine Evaluation kam noch nicht

Publikationsdatum 18.12.2015 ~ Art des Materials: Akteure: Schlagworte: Soziales System: Lizenz: 

Ende November reichte die Bundestagsfraktion der Grünen eine Kleine Anfrage bei der Bundesregierung ein (BT-Drs 18/6853). Es geht um die bereits vor Monaten angekündigte und im Koalitionsvertrag vereinbarte "ergebnisoffene" Evaluation des Leistungsschutzrechts für Presseverleger. Die nun veröffentlichte Antwort ist ernüchternd.

Spricht man die Regierung auf Leistungsschutzrecht an, heißt es stets, man solle erst die Evaluation abwarten. Vorher würden keine Entscheidungen getroffen. Bis dahin bleibt also ein Gesetz in Kraft, dass keinem nutzt, aber vielen schadet.

In der Antwort betont die Bundesregierung nun erneut, dass man das Leistungsschutzrecht "hinsichtlich der Erreichung seiner Ziele evaluieren" werden. Allerdings heißt es auch:

[Die Bundesregierung] behält sich vor, den dafür geeigneten Zeitpunkt zu bestimmen.

Es bleibt fraglich, wann der geeignete Zeitpunkt gekommen sein soll. Bereits vor Monaten haben fast alle Sachverständigen bei einer Anhörung im Bundestag für die sofortige Abschaffung plädiert. Und schon während des Gesetzgebungsprozesses gab es großen Widerstand aus der Wirtschaft, der Zivilbevölkerung und der Rechtswissenschaft. Worauf wird hier gewartet? Eigene Gutachten können es nicht sein, denn

[d]ie Bundesregierung hat bislang noch keine Beurteilungen, Evaluationen oder Analysen gefördert, in Auftrag gegeben, finanziert, angestoßen oder in anderer Weise unterstützt, die das Leistungsschutzrecht des Presseverlegers zum Gegenstand haben.

Somit scheint die Bundesregierung eine Hinhaltetaktik zu fahren. Man hofft wohl, dass ein europäisches Leistungsschutzrecht kommt, das die deutsche Regelung hinfällig macht. Der Aufwand, den vor allem deutsche Politiker in Europa diesbezüglich betreiben, spricht dafür. Hier werden offensichtlich die falschen Schlüsse aus den Erfahrungen in Deutschland gezogen. Ein Gesetz wird nicht "besser", wenn man es auf höherer Ebene implementiert. Das war nicht die Ursache für das Scheitern.

MdB Tabea Rößner (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) kommentiert:

Die Bundesregierung zeigt sich strategielos und hat scheinbar jede Handlung eingestellt. Die vor Monaten angekündigte Evaluierung bleibt weiterhin eine Nebelkerze. Auch die bis dato erfolgte sonstige Erkenntnisgewinnung beläuft sich gen Null. Hier beruft man sich unter anderem auf die vor Monaten erfolgte Anhörung von Sachverständigen, welche ganz überwiegend eine Abschaffung des Leistungsschutzrechts forderten. Wieso Justizminister Maas allerdings diese Konsequenz dann nicht zieht, bleibt schleierhaft. Vielmehr scheint es Strategie zu sein, das Thema auf die lange Bank zu schieben, ganz nach der Devise, dass ein anderer das Dilemma schon richten wird. [...] Einsicht ist besser als Nachsicht: Maas sollte Diskussionen um ein europäisches Leistungsschutzrecht endlich deutlich entgegentreten.

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