Dagegen, ein Leistungsschutzrecht einzuführen, um den Presseverlagen die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, sprechen maßgeblich zwei Gründe: Zum einen ist schon nicht belegt, dass die Presseverlage über das normale Maß Probleme mit Rechtsverletzungen haben. Zum anderen würde das bedeuten, „mit Kanonen auf Spatzen zu schießen”. Um die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, sind rechtliche Maßnahmen möglich, die weit weniger Kollateralschäden und Eingriffe in die Rechte Dritter nach sich ziehen.
Zunächst ist die Behauptung, dass gerade Presseverlage akut durch massenhafte Rechtsverletzungen (Piraterie) betroffen seien, unbelegt. Die Nutzungen von Online-Presseerzeugnissen sind in aller Regel legal. Weder verstoßen Suchmaschinen gegen Gesetze, wenn sie auf Verlagsangebote verweisen und zu diesem Zweck kurze Textausschnitte (Snippets) anzeigen. Noch ist es – natürlich – nicht rechtswidrig, die frei im Netz abrufbaren Artikel zu lesen oder auszudrucken. Ganz gleich, ob dies zu privaten oder zu gewerblichen/beruflichen Zwecken erfolgt.
Die Behauptung, dass Piraterie ein großes Problem für Presseverlage darstellt, ist nicht nur unbelegt, sondern auch unwahrscheinlich. Evident sind Musik- oder Filmindustrie wesentlich mehr durch rechtswidrige Nutzungen ihrer Produkte bedroht. Sie bieten ihre Inhalte nur gegen Bezahlung an. Dadurch entsteht ein Interesse der Nutzer daran, sich und anderen kostenlosen Zugang zu verschaffen; was wiederum erklärt, warum so viel Musik, Filme, Computerprogramme und andere kostenpflichtige Produkte illegal ins Netz gestellt werden.
Die Presseverlage hingegen stellen ihre Angebote freiwillig zur kostenlosen Nutzung ins Internet, die Einnahmen werden über Werbung erzielt. Die Nutzung an sich ist also erlaubt und kostenfrei. Eine möglichst umfangreiche (kostenlose) Nutzung ist sogar gewünscht, da die Höhe der Werbeeinnahmen von der Nutzungsintensität (von „Page Impressions“) abhängt.
Angebote kostenlos frei zugänglich zu machen, ist der beste Schutz gegen Piraterie. Wenn jeder ohnehin frei nutzen kann und darf, besteht kaum ein Anlass, Inhalte zu kopieren und illegal an anderer Stelle noch einmal ins Netz zu stellen.
Weiterhin ist schon im Grundsatz fraglich, ob es Aufgabe des Gesetzgebers ist, die Verlage dabei zu unterstützen, ihre Rechte durchsetzen zu können und ob überhaupt eine Notwendigkeit dafür besteht. Jeder Marktteilnehmer ist selbst dafür verantwortlich, seine Rechte ordnungsgemäß zu dokumentieren, um sie belegen zu können. Auch für die Verlage ist es zumutbar und sollte es möglich sein, mit ihren Vertragspartnern Verträge zu schließen, die in Rechtsstreitigkeiten als Beweis dienen können. Zudem gibt es keinerlei Anhaltspunkte, geschweige denn Belege, dass dies gerade bei Presseverlagen – im Vergleich zu anderen Verwertern, wie z. B. Herstellern komplexer Multimedia-Produkte – der Fall sein sollte. Würde sich hieraus ein zwingendes Argument dafür ergeben, dass ein Leistungsschutzrecht gewährt wird, müssten zum Beispiel auch Computerspiel-Hersteller ein Leistungsschutzrecht erhalten. Auch an ihren Produkten arbeiten viele Urheber.
Im Übrigen ist es für den Erwerb von Rechten und dessen Beweisfähigkeit nicht erforderlich, dass über jede Veröffentlichung ein eigenständiger Vertrag geschlossen wird. Für angestellte Journalisten gelten ohnehin Arbeits- und Tarifverträge, aus denen sich eindeutig ergeben sollte, welche Rechte der Journalist dem Verlag überträgt. Mit freien Journalisten können und werden Nutzungsrechtsvereinbarungen über allgemeine Geschäftsbedingungen getroffen (wie zum Beispiel die „Honorarregelungen (Text/Bild) für freie Journalistinnen und Journalisten an Zeitschriften Axel Springer AG”). Diese können für eine Vielzahl von Einzelveröffentlichungen gelten, sofern der Journalist nur ordnungsgemäß hierauf hingewiesen wird.
Das Problem, dass nur ausschließliche, nicht aber einfache Nutzungsrechte nach dem Urheberrechtsgesetz zur gerichtlichen Durchsetzung berechtigen, kann ebenfalls durch entsprechende Vertragsgestaltung vermieden werden. Eine Prozessführungsbefugnis für einfache Nutzungsrechte lässt sich zum Beispiel der Axel-Springer-Verlag standardmäßig durch seine "Honorarregelungen (Text/Bild) für freie Journalistinnen und Journalisten an Zeitungen" ausdrücklich einräumen. Hier heißt es: "Der Verlag ist unwiderruflich zur Prozessführung und Einräumung von Unterlizenzen hinsichtlich der erworbenen Rechte ermächtigt."
Selbst wenn es zuträfe, dass ein ordnungsgemäßes Vertragsmanagement für Presseverlage ein derart unlösbares Problem wäre, dass es gesetzlicher Unterstützung bedarf, wäre ein Leistungsschutzrecht hierfür kein angemessenes Mittel. Es würde genügen, den Verlagen – unabhängig von der Exklusivität der ihnen eingeräumten Nutzungsrechte – eine gesetzliche Prozessführungsbefugnis einzuräumen. Das meint auch der Rechtswissenschaftler Karl-Nikolaus Peifer, der hierfür eine konkrete Formulierung vorschlägt (siehe Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht, Heft 4/2010, S. 271).
Eine gesetzliche Prozessführungsbefugnis hätte keine der „Nebenwirkungen”, die ein Leistungsschutzrecht nach sich ziehen würde. Weder käme es zu Kollisionen mit den Urheberrechten der Journalisten noch zu Beschränkungen grundrechtlicher Freiheitsrechte oder zu Belastungen von Wirtschaft und Freiberuflern.