IGEL nimmt Stellung zum LSR-Entwurf der EU-Kommission

Am 25. Oktober 2016 - 18:11 Uhr von Till Kreutzer

Am 20.09.2016 hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) relevante Akteure aufgefordert, Stellungnahme zum (unter anderem) Entwurf der Kommission für die DSM-Richtlinie abzugeben. Die Frist läuft am 28.10. ab. Wir haben heute unsere Eingabe abgeschickt. Sie lautet wie folgt (siehe auch das PDF):

 

A. Vorbemerkung

Seit Beginn der Debatte über ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger (LSR) in Deutschland, haben sich annähernd alle unabhängigen Experten und Beobachter gegen dieses Regelungsvorhaben ausgesprochen. Hierfür waren in der deutschen Debatte lediglich Lobbyisten einiger großer Verlage und andere Vertreter dieser Interessengruppe. Dieses Meinungsbild hat sich in der Konsultation der Kommission weit gehend bestätigt[1]. Insbesondere haben sich die anerkanntesten Urheberrechtsexperten in diesem Kontext (erneut) gegen das LSR gestellt. Beispielhaft sei auf die Eingabe des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb in München[2] und diejenige der European Copyright Society[3] hingewiesen.

 

B. Inhaltliche Bemerkungen

I. Für ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger gibt es keine Rechtfertigung

Wie ECS und MPI ganz richtig anmerken, gibt es keinen Anlass und keine Rechtfertigung, ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger einzuführen. Insbesondere gibt es kein Marktversagen im Verhältnis zwischen Suchanbietern und Verlagen, das mit einem solchen Instrument ausgeglichen werden müsste.

Vielmehr operieren die intendierten Adressaten des Rechts (Suchtechnologieanbieter) mit Verlagen in einer Symbiose. Aus dieser können beide Seiten jederzeit durch simple technische Maßnahmen (robots.txt) aussteigen. Durch Veränderungen an dieser Datei können Verlage ohne weiteres verhindern, dass ihre Seiten indexiert werden oder, dass sie zwar indexiert werden, aber ohne Anzeige von Vorschautexten (Snippets) und/oder Vorschaubildern in den Suchergebnissen erscheinen. Die robot.txt-Technologie ermöglicht dabei sehr granulare Einstellmöglichkeiten für jeden Content-Provider, also auch Presseverlage[4].

Wäre zutreffend, was die Verlagsverbände stets behaupten, dass also Suchmaschinen und Aggregatoren ihre Inhalte ausbeuten und ihnen Leser verloren gehen, könnten und würden sie von diesem Mittel Gebrauch machen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Die Verlage machen in großem Stil von SEO-Maßnahmen (Search Engine Optimisation) Gebrauch, um möglichst häufig und prominent in Suchmaschinen und Aggregatoren gefunden, angezeigt und im Anschluss angeklickt zu werden. Sie profitieren in großem Maß von den – für sie kostenlosen – Dienstleistungen der Suchanbieter.

Vor diesem Hintergrund ist der Ansatz der Kommission schon grundsätzlich zurückzuweisen.

 

II. Kein geeignetes Mittel

In der Begründung der Kommission für Art. 11 (siehe v. a. Erwägungsgrund 31, sowie die Begründung, S. 2 des Vorschlags) wird behauptet, dass mit der Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger Geschäftsmodelle der Verleger geschützt und dass der Qualitätsjournalismus und die Medienpluralität von diesem neuen Recht profitieren werden. Dies wird u. a. mit verbesserten Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten und Einnahmemöglichkeiten für die Presseverlage begründet. Es wird noch auszuführen sein, dass es den Protagonisten des Vorschlags, also der  Kommission und – einer kleinen Anzahl sehr großer – Presseverlage, letztlich ausschließlich darum geht, für die Anzeige von Snippets in Suchmaschinen, Aggregatoren und sozialen Netzwerken vergütet zu werden (m. a. W.: dass die Presse von Google und Facebook subventioniert wird).

Dieses angebliche Ziel kann mit einem Leistungsschutzrecht jedenfalls nicht erreicht werden. Stattdessen führt der Ansatz zu gravierenden Nebeneffekten und Kollateralschäden, v. a. in Form von massiver Rechtsunsicherheit und den hieraus resultierenden negativen Folgen für die Kommunikation, Grundfreiheiten und die Innovation.

Die historisch-empirische Evidenz der Ereignisse nach Einführung der Verleger-Leistungsschutzrechte in Deutschland und Spanien wird bei der Folgenabschätzung der Kommission vollständig ignoriert. Dies wird damit begründet, dass die Auswirkungen einer EU-Regelung gänzlich andere wären. Kommissar Oettinger geht davon aus, dass sich die großen amerikanischen Internetunternehmen zwar aufgrund ihrer Marktmacht in einzelnen Mitgliedstaaten, nicht aber auf europäischer Ebene durchsetzen werden[5].

Für diese Annahme sprechen keinerlei Anhaltspunkte. Große Suchanbieter wie Yahoo oder die Deutsche Telekom haben die Verlage, die sich in Deutschland auf das LSR berufen haben indem sie der VG Media beigetreten sind, unmittelbar ausgelistet oder die Anzeige ihrer Inhalte auf bloße Hyperlinks reduziert[6]. Google hat stets betont, dass man für die Anzeige von Snippets oder das Verlinken auf Verlagsinhalte keine Rechte einholen und keine Lizenzgebühren bezahlen werde. Als das Unternehmen in Spanien dazu gezwungen werden sollte, hat es seinen Dienst Google News dort eingestellt. Dazu zwingen, sich anders zu verhalten, kann man das Unternehmen auch auf europäischer Ebene nicht. Wie das Bundeskartellamt bereits ganz deutlich gemacht hat[7], kann selbst ein marktbeherrschendes Unternehmen mit kartellrechtlichen Mitteln nicht gezwungen werden, Dritten kostenlose Leistungen zu erbringen, wenn dies dazu führen würde, dass es für die Erbringung der Leistung – wegen des LSR – auch noch bezahlen muss. Anders ausgedrückt: Kein Suchanbieter ist verpflichtet, Verlagswebseiten in einer Form (mit Vorschaubild und Snippet) zu listen, dass hierdurch eine Nutzung nach dem Leistungsschutzrecht ausgelöst wird, die vergütungspflichtig wäre.

Hieran ändert ein EU-Leistungsschutzrecht nichts. Statt zu zahlen werden zunächst unzählige jahrelange Rechtsstreitigkeiten in verschiedenen Mitgliedsstaaten geführt werden. Diese werden ihren Abschluss beim EuGH finden, der im Zweifel klären müsste, wie lang und wie umfangreich Vorschautexte in Suchtechnologien angezeigt werden dürfen, ohne dass das Leistungsschutzrecht ausgelöst wird. Mit anderen Worten, was eigentlich der Anwendungsbereich des LSR ist. Bis zum Abschluss der Auseinandersetzungen wird Google – nicht aber andere Anbieter – im Zweifel von Gratislizenzen profitieren, da es sich die Verlage nicht leisten können, ausgelistet oder nur per „nacktem Hyperlink“ gelistet zu werden, wie sich schon in Deutschland gezeigt hat[8].

Ist dann nach Jahren geklärt, welche Nutzungen aus dem Leistungsschutzrecht herausfallen, wird Google und werden im Zweifel alle anderen Suchanbieter und Aggregationsdienste im weiteren Sinne (einschließlich der sozialen Netzwerke wie Facebook) ihre Vorschauinhalte so anpassen, dass sie aus dem Schutzbereich herausfallen. Lizenzgebühren werden bei diesem Verlauf allenfalls von kleinen Anbietern generiert, die a) auf die Anzeige von Verlagspublikationen einschließlich Vorschau angewiesen sind und sich b) keine jahrelangen Rechtsstreitigkeiten leisten können. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass, wie z. B. auch in Spanien und Deutschland, viele kleinere Informationsdienste ihren Betrieb einstellen oder ins – nunmehr außereuropäische – Ausland verlagern[9]. Auch insofern würden also keine Einnahmen generiert, dafür aber neue Geschäftsmodelle und Innovationen verhindert oder aus Europa herausgedrängt. Ob man einen Beteiligungsanspruch für Journalisten vorsieht – wie es im deutschen Recht aber nicht im Kommissionsentwurf vorgesehen ist –, ist  angesichts dieser vorhersehbaren Folgen eine eher akademische Frage. Finanziell profitieren wird vom LSR ohnehin niemand.

III. Exzessive Dimension

Ein europäischer Ansatz für das LSR wird die Probleme, die sich in Deutschland und Spanien gezeigt haben, nicht mindern, sondern potenzieren. Das gilt unter anderem vor dem Hintergrund, dass es der Kommissionsvorschlag an jeglichen Sicherheitsvorkehrungen, die u. a. in Deutschland zur Vermeidung immenser Kollateralschäden vorgesehen sind, missen lässt. Anwendungs- und Schutzbereich, Schutzumfang und –dauer gehen weit über die Vorbilder des Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Deutschland und Spanien hinaus.

IV. Verfehlte Intention

Der Entwurfstext suggeriert, dass es der Kommission vorrangig darum geht, den Presseverlegern eine verbesserte Rechtsposition, insbesondere für die Lizenzierungs- und Verletzungssituation, zu verschaffen. Siehe Erwägungsgrund 31: „Sofern Verlage als Rechteinhaber von Presseveröffentlichungen nicht anerkannt werden, gestaltet sich die Lizenzvergabe und Durchsetzung ihrer Rechte im digitalen Umfeld häufig als komplex und ineffizient.“ Zum einen ist dieses Argument vorgeschoben (s. u.), keineswegs liegt hierin ein Hauptanliegen des Vorschlags. Zum anderen wurde schon in der deutschen Debatte darauf hingewiesen, dass es zur Behebung von Beweisschwierigkeiten im Verletzungsfall keines Leistungsschutzrechts bedarf, sondern lediglich einer dem § 10 Abs. 3 UrhG ähnlichen Vermutungsregel für eine Prozessführungsbefugnis von Presseverlegern. Unter anderem hatte Karl-Nikolaus Peiffer hierzu einen konkreten Vorschlag formuliert (siehe KsZW 2010, S. 263/271). Ein solcher Ansatz vermeidet annähernd sämtliche Kollateraleffekte eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger und erreicht gleichzeitig das genannte Ziel effektiverer Rechtsdurchsetzung. Der Kommission sollte geraten werden, diesen Ansatz als Alternativlösung in den europäischen rechtspolitischen Diskurs einzubringen und zu evaluieren.

V. Exzessiver subjektiver Anwendungsbereich

Art. 11 DSM-Richtlinie sieht keinerlei Beschränkungen hinsichtlich des Adressatenkreises vor. Selbst Privatpersonen und gemeinnützige Institutionen fallen daher in dessen Anwendungsbereich. Zum Ausgleich dieses, sogar angesichts der verfolgten Ziele des Ansatzes weit überschießenden, Anwendungsbereichs auf die Schrankenbestimmungen zu verweisen, geht fehl. Gerade online-typische Nutzungen, deren Erfassung allem voran im Fokus des Ansatzes liegt (siehe sogleich), wie Linksetzungen oder sonstige Verweise auf fremde Quellen, bei denen kleine Ausschnitte der Zielpublikation verwendet werden, fallen in der Regel nicht unter die geltenden Schrankenbestimmungen. Reine Hinweise auf fremde Quellen sind im urheberrechtlichen Sinn keine Zitate. Erfolgen sie online, werden sie öffentlich zugänglich gemacht, also handelt es sich nicht um Privatkopien usw. Gleiches gilt für Verweise durch/auf Suchmaschinen, Aggregatoren oder Social-Media-Plattformen. Dass solche Handlungen derzeit ohne weiteres zulässig sind, ist keine Frage von Schrankenbestimmungen, sondern des insofern eingeschränkten Schutzbereichs des Urheberrechts. Diesen freihaltebedürftigen und gemeinfreien Bereich soll das LSR nun nach dem Willen der Kommission eliminieren.

VI. Fehlgehende Zielsetzung

Der Entwurf zielt vorrangig auf das industriepolitische Ziel ab, Suchmaschinen, Social-Media-Anbieter und Aggregatoren zum Abschluss von Lizenzverträgen und zur Zahlung von Lizenzgebühren zu zwingen. Dies zeigt sich u. a. an der Tatsache, dass er keine Beschränkung des Schutzumfangs in Form einer Bagatellregelung enthält (wie der Ausschluss von einzelnen Wörtern und kleinsten Teilen in § 87f Abs. 1 UrhG). Auf die elementare Frage, ab welchem Umfang Übernahmen in den Anwendungsbereich fallen, fehlt jeglicher Hinweis im Gesetzestext, der Begründung und den Erwägungsgründen. Entsprechend würde – wenn der Entwurf so verabschiedet wird – die Frage nach der Schutzuntergrenze von der Auslegung durch die Gerichte abhängen. Jahrelange gerichtliche Auseinandersetzungen wären die Folge. Deren Dimension wäre im Vergleich zur entsprechenden Entwicklung in Deutschland wesentlich größer, da sie zunächst in den Mitgliedsstaaten geführt würden. Welchen Ausgang diese nehmen können, zeigt sich an der Metall-auf-Metall-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der selbst kleinste Teile eines durch ein Leistungsschutzrecht geschützten Schutzgegenstands unter das Recht fallen können.

VII. Hyperlinks im Schutzbereich

Der Hinweis in Erwägungsgrund 33 ändert an der vorstehend beschriebenen Problematik nichts. Zwar heißt es hier im letzten Satz: „This protection does not extend to acts of hyperlinking which do not constitute communication to the public.“ Schon generell ist dieser Satz zirkulär. Er besagt, dass „acts of hyperlinking“ dann nicht unter das Leistungsschutzrecht fallen, wenn sie keine öffentliche Wiedergabe darstellen. Anders ausgedrückt: Hyperlinking ist nicht untersagt, wenn es nicht untersagt ist[10].

Bekanntlich kann indes sogar das bloße Setzen eines Hyperlinks nach der neuesten Rechtsprechung des EuGH eine öffentliche Wiedergabe darstellen[11], wenn eine illegale Quelle verlinkt wird. Wichtiger für die Bedeutung des Richtlinien-Vorschlags zum LSR ist jedoch, dass die heute übliche Verweistechnik – u. a. bei Suchmaschinen und Aggregatoren aber auch beim Teilen von Informationen in sozialen Netzwerken durch Internet-Nutzer – darin liegt, nicht nur den Link anzugeben, sondern diesen mit einem kurzen Textausschnitt und häufig einem Vorschaubild anzureichern. Teilweise – wie bei Facebook – werden Verweise sogar automatisch auf diese Weise generiert. Diese Handlungen wären von dem Hinweis des Erwägungsgrundes – selbst wenn er konkreter und nicht zirkulär formuliert würde – nicht erfasst und damit nicht ausgenommen. Dass dies auch nicht von der Kommission intendiert sein kann, zeigt sich daran, dass ein genereller Ausschluss des Snippeting wiederum dem eigentlichen Ziel (s. o., Punkt VI) zuwiderlaufen würde. Denn Suchmaschinen und Aggregatoren nutzen keine ganzen Presseerzeugnisse oder Artikel, sondern lediglich diese kleine Ausschnitte. Will man sie in die Pflicht nehmen, müssen auch kleinste Teile von Presseerzeugnissen in den Schutzbereich des LSR fallen.

Dass sich solchen „angereicherten Hyperlinks“ durchgesetzt haben – sowohl bei Privatnutzern als auch in Such- und Aggregationstechnologien – liegt wiederum in der Natur des Online-Verweises. Reine Hyperlinks, die keine Beschreibung, keine Vorschau auf die verlinkte Quelle enthalten, sind zumeist sinnlos, weil sie keinen Rückschluss auf die Relevanz des Verweisziels zulassen. Entsprechend werden sie kaum angeklickt, was dem Zweck des Verweises widerspricht. Insofern liegt es natürlich auch und v. a. im Interesse der Verlage, dass Snippets und Vorschaubilder in Suchmaschinen und Aggregatoren oder bei Social-Media-Verweisen gezeigt werden, wie das Axel-Springer-Experiment aus dem Jahr 2014 eindrücklich belegt hat[12]. Keineswegs gehen hierdurch Einnahmen verloren.

VIII. Exzessiver objektiver Schutzbereich

Schutzobjekt des Leistungsschutzrechts für Presseverleger in Art. 11 der DSM-Richtlinie sind Presseveröffentlichungen („press publications“). Der Begriff wird durch Art. 2 Abs. 4 und Erwägungsgrund 33 denkbar weit definiert. Erfasst werden journalistische Publikationen, die nach Ziff. 2 Abs. 4 auch „other works and subject matter“ enthalten können. Webseiten, die in großem Maß Video- und Bildinhalte enthalten, fallen daher auch hierunter. Gleiches gilt nach EG 33 u. a. für: „Tageszeitungen oder wöchentlich oder monatlich erscheinende Magazine von allgemeinem oder besonderem Interesse sowie Nachrichtenwebsites“. Es geht also, entgegen des vorläufigen im Internet geleakten Entwurfs[13] nicht mehr nur um Nachrichten-Inhalte, sondern jedes Angebot, das gewissen – im Zweifel weit auszulegenden – journalistischen Prinzipien folgt. Das neue Leistungsschutzrecht für Presseverleger würde daher grundsätzlich ebenso Food- und Erotik-Blogs, Webseiten von Automagazinen (und die gedruckten Magazine selbst) und vieles mehr erfassen. Zusätzliche Anforderungen in Bezug auf den Rechteinhaber – wie z. B. eine denkbare Beschränkung auf Angebote von Presseverlagen im eigentlichen Sinne – enthält der Vorschlag nicht. Rechteinhaber kann gem. Art. 2 Abs. 4 vielmehr jeder „service provider“ („Dienstanbieter“ in der deutschen Fassung) sein.

IX. Exzessiver Schutzumfang

Der Schutzbereich von Art. 11 DSM-Richtlinie geht auch insoweit erheblich über den deutschen Ansatz hinaus, als er nicht nur ein Recht der öffentlichen Zugänglichmachung/Recht der öffentlichen Wiedergabe, sondern zusätzlich ein Vervielfältigungsrecht gewährt. Es betrifft daher einerseits nicht nur Online-, sondern auch Offline-Nutzungen. Zudem ist denkbar, dass mit dieser Ausweitung erreicht werden soll, dass nicht nur die Anzeige von Ausschnitten in den Suchergebnissen, sondern bereits das Indexieren oder andere dem Verlinken vorgelagerten Speichervorgänge bei Suchtechnologien unter das Recht fallen sollen. Für Suchanbieter würde das bedeuten, dass Inhaber des Leistungsschutzrechts zwingend ausgelistet werden müssten, wenn Eingriffe in das Recht vermieden werden sollen. Eine Beschränkung auf reine Hyperlinks (ohne Vorschau) würde nicht mehr genügen. Das Resultat käme einem generellen Schutz gegen/von Hyperlinks durch Suchanbieter gleich.

X. Überlange Schutzdauer und Rückwirkung:

Eine Schutzdauer von 20 Jahren ist für Nachrichtenpublikationen offensichtlich überdimensioniert. Noch schwerer wiegt indes die Regelung zum zeitlichen Anwendungsbereich des neuen Leistungsschutzrechts gem. Art. 18 Abs. 2. Hiernach sollen rückwirkend sämtliche Presseveröffentlichungen geschützt werden, unabhängig vom Veröffentlichungszeitpunkt. Selbst wenn man – was unklar bleibt – davon ausgehen könnte, dass die rückwirkende Geltung „nur“ für solche Publikationen gilt, die bei In-Kraft-Treten noch geschützt wären (also maximal 20 Jahre zuvor veröffentlicht wurden) würden Abermillionen von – v. a. Internet-Publikationen – in den Schutzbereich gezogen. Der Effekt auf z. B. Pressearchive, Linklisten, soziale Medien, Archive oder auch die Wikipedia und ähnliche Informationsangebote wäre unkalkulierbar.

XI. Kein Bezug zur Reprobel-/Vogel-Entscheidung

Auf den Vorschlag in Art. 12 soll hier nicht weiter eingegangen werden. An dieser Stelle genügt der Hinweis, dass es zur Korrektur der genannten Rechtsprechung – sofern man eine solche für erforderlich hält – keines Leistungsschutzrechts für Presseverleger bedarf.

 

C. Über uns

Die Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (IGEL) ist eine private zivilgesellschaftliche Initiative, die im Jahr 2010 u. a. von Dr. Till Kreutzer gegründet wurde. Derzeit vereinigt sie ca. 140 Unterstützer unterschiedlichster Art, darunter Blogs, Journalistenverbände, Verlage, Internet-Unternehmen wie Suchmaschinen und Aggregatoren, NGOs und Stiftungen. IGEL wendet sich gegen das Leistungsschutzrecht für Presseverleger, weil es Innovationen behindert und die Informationsfreiheit einschränkt. IGEL informiert die Öffentlichkeit über die – häufig unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden – politischen Prozesse in Bezug auf das Leistungsschutzrecht für Presseverleger und spricht sich als zivilgesellschaftliche Initiative im politischen Diskurs gegen dessen Einführung aus.



[10] Die deutsche Fassung des Entwurfs ist in diesem Punkt unpräzise. Sie lautet: „Dieser Schutz erstreckt sich nicht auf das Verknüpfen mit Hyperlinks, da dies keine öffentliche Wiedergabe darstellt.“ Die Übersetzung ist sprachlich und im Hinblick auf die G.S.-Media-Entscheidung des EuGH auch inhaltlich falsch.

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