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Thomas Hoeren: Das Leistungsschutzrecht wäre ein schwerer Eingriff in die Informations- und Meinungsfreiheit
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Thomas Hoeren, Professor für Rechtswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im IGEL-Interview: Die Verleger sind nicht schlechter geschützt als andere Werkmittler. Ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger ist überflüssig und würde die Informationsfreiheit gefährden.
Vera Linß: Ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger – macht das aus Ihrer Sicht Sinn?
Thomas Hoeren: Zunächst einmal können die Presseverleger sagen: Ja ja, alle möglichen Leute, die irgendwie wirtschaftlich-technisch zum Verbreiten von Kreativität beitragen, haben Leistungsschutzrechte – Tonträgerhersteller, Filmproduzenten – wir aber nicht. Nur, was die Verleger dabei historisch gern „vergessen“, ist, dass der Gesetzgeber ihnen damals 1901 extrem entgegengekommen ist und extra für die Verlagsbranche das Verlagsgesetz gemacht hat, das heute auch noch gilt und in dem weit reichende Nutzungsrechtsübertragungen zu ihren Gunsten formuliert sind. Aus der heutigen Perspektive ist ein Leistungsschutzrecht für Verleger sowohl überflüssig wie auch verfassungs- und urheberrechtlich sehr bedenklich.
Das heißt, die Verleger haben mit Blick auf die Nutzungsrechte bereits Vorteile im Vergleich zu anderen Verwertern?
Im Grunde würden Verleger mit dem Leistungsschutzrecht ein Doppelgeschenk bekommen. Sie haben sich schon 1901 das Verlagsgesetz erstritten. Und weil sie erstaunlicherweise immer noch unzufrieden sind, kommen sie jetzt und sagen: wir wollen noch mehr. Und auf einmal wird ein ganz neues Recht erfunden: nämlich nicht nur das Recht, gegen die Übernahme ganzer Teile vorzugehen, sondern auch gegen die Übernahme kleinster Wortfetzen.
Was ist daran verfassungsrechtlich bedenklich?
Also, wenn man so ein Recht schafft, muss man natürlich auch gucken, dass es in die Verfassungssystematik reinpasst. Ich greife ja massiv in die Informations- und Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz ein. Das darf ich nur dann, wenn ich ein Schutzrecht schaffe, das zumindest klar konturiert ist. Das ist bei diesem Recht überhaupt nicht gewährleistet, weil kein Mensch zurzeit weiß, wie weit dieses Recht eigentlich gehen soll. Es ist ganz schwer, so ein Recht präzise zu formulieren. Und dadurch droht, dass man massiv Zitatrechte und andere Schranken zur Sicherung der Informationsfreiheit unterläuft.
Sie teilen also die Befürchtungen, die es seitens der Kritiker gibt, das ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger die Informationsfreiheit gefährden könnte, wenn dann auch Überschriften oder ähnliches geschützt sein könnten?
Ich teile diese Bedenken. Das Projekt ist ein schwerer Eingriff in die Informations- und Meinungsfreiheit. Und das wäre nicht hinzunehmen. Man sieht auch beim derzeitigen Entwurf des Bundesjustizministeriums, wie unkonturiert das Recht ist. Es soll sich zum Beispiel auf gewerbliche Anwender beziehen, ohne dass klargestellt ist, was „gewerblich“ meint. Wenn das in Kraft treten sollte, wäre Media-Clipping weitgehend verboten und auch weite Teile der Bloggingszene betroffen.
Ihrer Meinung nach ist so ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger gar nicht nötig. Warum nicht?
Verleger sind nicht per se schutzlos. Ein Verleger kann sich vom Urheber schlichtweg sehr viele Nutzungsrechte geben lassen. Er hat solche Rechte ja auch schon nach dem Verlagsgesetz. Er kann damit auch vorgehen, wenn z. B. unerlaubt E-Books im Netz auftauchen. Das heißt also, über Piraterie reden wir ja gar nicht. Was hier merkwürdigerweise geschieht, ist, dass ein Instrument, das eigentlich selbst nach Auffassung des Bundesgerichtshofs zum Wesen des Internet gehört, abgestraft werden soll. Google & Co. tun eigentlich etwas, was die Verleger ja selbst wollen. Die Verlage stellen Inhalte ins Netz, optimieren sie sogar unter Umständen für eine Suchmaschine und schreien hinterher: Aber jetzt wird’s von Google aufgegriffen.
Inwiefern haben die Verleger bereits ausreichende Schutzrechte?
Ja, die Verleger haben schon Schutzrechte gegen klassische Zeitungs-Piraterie. Also wenn jemand wirklich auf die Idee käme, aus der klassischen Tageszeitung Texte rauszuziehen und ins Netz zu stellen, dann sind auch die Verleger die letzten, die nicht gleich sofort mit klassischem Verlagsrecht, mit ihren Verlagsverträgen, kommen und so etwas abmahnen.
Nun argumentieren ja die Verleger auch damit, dass jemand wie Google vor allem eben damit Geld verdient, dass sie auf deren Seiten verlinken und mit diesen kleinen Snippets darauf hinweisen. Ist das rechtlich eigentlich aus Ihrer Sicht bedenklich, was Google da macht?
Wir haben ja nun Urteile auch des Bundesgerichtshofs zur Bedeutung von Google. Wenn jemand ins Internet geht und seine Seite für Suchmaschinen optimiert, dann kann er doch nicht hinterher klagen und sagen: Wie, die haben da Snippets aus meinen Texten? Die Verleger gehen ins Netz, sind stolz, wenn sie dort auch gefunden werden und jetzt auf einmal fällt ihnen ein: Also das ist aber doch blöd, dass Google im Grunde über Google Ads so viel Geld damit macht. Also geht es im Grunde gar nicht um den juristischen Kampf gegen Piraterie, sondern um einen Kampf veralteter Geschäftsmodelle gegen ein neues, der die alten Herren ganz einfach nur ärgert.
Der FDP-Politiker Manuel Höferlin hat den Vorschlag gemacht, man könne ja den Verlegern formal das Recht geben, dass Google sie wieder auslisten muss. Bisher können sie’s praktisch machen, aber man könne ihnen das ja auch formal noch mal aufschreiben. Ist das nicht völlig überflüssig oder ist das aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Der Europäische Gerichtshof hat dazu die Frage gestellt: Was ist eigentlich einer Suchmaschine haftungsmäßig zumutbar? Wenn man ein solches „Auslistungsrecht“ schaffen würde, wäre das ein gigantischer Aufwand für Google, der der europäischen Rechtsprechung nicht entspricht.
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