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Übergabe kritischer Stimmen gegen das Leistungsschutzrecht in Brüssel
Am Donnerstag den 29.09.2016 war ich in Brüssel um Abgeordneten des europäischen Parlaments eure kritischen Stimmen zum LSR zu überreichen. Es ging darum, durch einen symbolischen Akt zu zeigen, wie viele Internet-Nutzerinnen und -nutzer sich im Rahmen der Konsultation gegen ein europäisches Leistungsschutzrecht für Presseverleger ausgesprochen haben.
Und das waren wirklich viele: In einer Aktion des „SafetheLink“ (STL) networks schlossen sich 37.500 Nutzer der Stellungnahme der zivilgesellschaftlichen Initiative an. Die gemeinsame Antwort auf die Fragen der Konsultation war, dass ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger – ganz gleich wie man es nennt – stark negative Konsequenzen für Verbraucher, Endnutzer und EU-Bürger hätten. Viele heute übliche Nutzungsgewohnheiten, die das Internet zu einem beispiellosen Ort der Informationsgewinnung und des -austausches sowie der Kommunikation machen, würden hierdurch gefährdet. Unter den 37.500 Abstimmenden waren 9.336 Bürger und Bürgerinnen der EU.
Konsultation und Mitbestimmung als Lippenbekenntnis
Was die Kommission aus der Konsultation, die angeblich so ernst genommen wird, gemacht hat, ist ernüchternd. Die große Anzahl der Stimmen wurde in die Auszählung der Konsultationsreaktionen nicht einmal einbezogen, wie sich aus dem „Summary Report“ ersehen lässt. Hiernach sollen insgesamt nur 3957 Stellungnahmen eingegangen sein. Wie schon in anderen Fällen hat die Kommission offenbar alle Stimmen, die sich der STL-Stellungnahme angeschlossen haben, nur als eine einzige gezählt. Dies verzerrt das tatsächliche Meinungsbild naturgemäß elementar.
Umso weniger haben sich die Stimmen der Nutzer offensichtlich auf die Vorschläge und Einschätzungen der Kommission ausgewirkt. Im Gegenteil: Sowohl das „Impact Assessment“ als auch die eigentlichen Regelungsvorschläge lesen sich, als gäbe es keine Einwände gegen das Leistungsschutzrecht für Presseverleger oder gar erst zu nehmende Bedenken hieran. Der Richtlinien-Vorschlag enthält ein denkbar weit reichendes Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Die Begründung und das Impact Assessment lesen sich wie eine Wunschliste der Großverlage. Man kann daraus nur folgern, dass die angeblich so demokratische Rechtssetzung der Kommission ein reines Lippenbekenntnis ist. Am Ende zählt für EU-Kommissar Günther Oettinger offensichtlich allein die Meinung der Verlagswirtschaft (und anderer klassischer Wirtschaften). Der Ansatz der Bürgerbeteiligung im Rahmen der Rechtssetzung wird somit zur Farce.
Nun ist das Parlament am Zug
Entsprechend wichtig ist nun, dass sich die Volksvertreter im europäischen Parlament diesem Kurs der Kommission entschieden entgegenstellen. Einer der Gründe für die Übergabe der Stimmen und das anschließende Gespräch am letzten Donnerstag. Hier diskutierte ich mit Dietmar Köster (S&D Fraktion), Julia Reda (Fraktion der Grünen/die Piraten) und einer Vertreterin von Helga Trüpel (ebenfalls die Grünen) über den Vorschlag der Kommission.
Wesentlicher Inhalt der Debatte waren – wenig überraschend – die Defizite schon des Ansatzes für ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Ich führte einmal mehr aus, dass es keine guten Gründe für, aber eine Vielzahl gewichtiger Argumente gegen das LSR gibt. Dies zu verstehen ist außerordentlich wichtig. Es gibt keinen „guten“ oder „wenig schädlichen“ Ansatz für ein solches Recht. Auch ist die Einführung eines Immaterialgüterrechts wie einem Leistungsschutzrecht niemals ein Experiment. Wie sich beispielsweise am Datenbankherstellerrecht gezeigt hat, werden solche Schutzrechte auch dann nicht wieder abgeschafft, wenn sie sich als schädlich und nutzlos erwiesen haben.
Dass diese Erkenntnis im Grundsatz auch von der Mehrheit der EU-Parlamentarier geteilt wird, hat die Ablehnung des Parlaments im Rahmen der Verabschiedung des Reda-Reports gezeigt. Fraktionsübergreifend hatte hier eine große Mehrheit der Volksvertreter einem Vorstoß pro-LSR eine Absage erteilt.
Es ist nun zu hoffen, dass die Abgeordneten ihren Wiederstand untermauern und nicht aufgeben. Neue Initiativen lassen hier hoffnungsvoll sein, wie man in diesem Video sieht. Es wird aber weiterhin elementar wichtig sein, dass möglichst viele Gegner ihre Stimme erheben und sich auch direkt an ihre Abgeordneten wenden. Wir bleiben hier natürlich ebenfalls am Ball.
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