Argumente
Die Forderung nach einem Leistungsschutzrecht für Presseverleger ist sehr umstritten. Viele Argumente wurden dafür, mehr noch dagegen vorgebracht. In unserer Sektion „Argumente” wird der komplexe Diskurs systematisiert, indem die jeweiligen Argumente, die für und gegen ein solches Leistungsschutzrecht sprechen, gegenüber gestellt werden. Dies soll dabei helfen, die Problematik zu verstehen, sich einen Überblick zu verschaffen und eine eigene Meinung zu bilden.
Pro&Contra
Pro Das Leistungsschutzrecht hilft allen Verlagen gleichermaßen
Contra Kleine Verlage werden vom Leistungsschutz nicht profitieren
Das Leistungsschutzrecht soll ein wichtiges Instrument für alle Presseverlage sein, um neue Geschäftsmodelle erschließen zu können. Es bedarf eines eigenen Leistungsschutzrechts, um neue Einnahmequellen für Online-Angebote erschließen zu können. Der Gesetzgeber solle hiermit ein gesetzliches Paid Content schaffen (Hubert Burda).
„Keese erklärte, dass es nicht der Journalismus sei, mit dem man das Geld im Netz verdiene, sondern Firmen wie idealo.de oder Zanox. Und andere, vor allem regionale Verlage seien nicht so schlau gewesen, sich rechtzeitig an solchen Unternehmen zu beteiligen, um den Journalismus querfinanzieren zu können.” (Niggemeier)
„Bezeichnenderweise wird die Forderung nach einem Leistungsrecht gerade von den sehr großen Verlagshäuser erhoben. Sollte ihr Plan umgesetzt werden, müsste zunächst eine neue Verwertungsgesellschaft geschaffen werden. Diese hätte das Ziel, möglichst viel Geld einzusammeln und die Einnahmen (nach Abzug eines Anteils für die interne Verwaltung) an die Verlage auszuschütten. Der Verteilungsschlüssel würde von der Verwertungsgesellschaft festgelegt.
Es dürfte klar sein, dass die Festsetzung der Tarife nicht an der Qualität eines Beitrags, sondern an der Reichweite seines Angebotes anknüpfen würde. Was auf den ersten Blick gerecht erscheint, zeigt auf den zweiten Blick das Dilemma: Diejenigen, die schon heute eine hohe Reichweite erzielen, werden auch die Gewinner von morgen sein. Sie bekämen den Löwenanteil aus der neuen Verwertungsgesellschaft.
Es handelt sich hierbei durchgängig um die zugkräftigen überregionalen Marken der großen Verlage, die bereits heute den digitalen Wandel erfolgreich vollzogen haben (Bild, Focus, Stern usw.). Kleine regionale oder lokale Zeitungen indes, die mit weniger professionellen Internetangeboten und kleinerer Leserschaft auch weniger Nutzer ansprechen, werden konsequenterweise nur geringe Beträge aus dem neuen Einnahmetopf erhalten. Um von der neuen Verwertungsgesellschaft zu profitieren, werden daher auch sie in Zukunft auf höhere Reichweite setzen müssen.
Das Streben nach Masse führt jedoch bekanntlich selten zu mehr Klasse. Es hilft den Großen, nicht den Kleinen und wird die Marktkonzentration weiter vorantreiben. Derzeit vereinen allein die zehn deutschen Großverlage 60% der Werbeumsätze im Printbereich auf sich. Gerade die Top-10 der Verlage haben ihre digitalen Aktivitäten in den vergangenen Jahren erheblich ausgeweitet und werden daher weit mehr als 60% der digitalen Erlöse auf sich vereinen. Das Leistungsschutzrecht würde dieser Tendenz erheblich Vorschub leisten und so der Verlagsvielfalt einen Bärendienst erweisen.” (Haller, ähnlich die Gemeinsame Erklärung der deutschen Wirtschaftsverbände).
Weitere Informationen
- Stefan Niggemeier, Verlegerkampf für eine PC-Presse-Gebühr, stefan-niggemeier.de vom 4.6.2010
- Arnd Haller, Zehn Gründe gegen ein Presse-Leistungsschutzrecht, Telemedicus.info vom 4.8.2010
- Gemeinsame Erklärung der deutschen Wirtschaftsverbände zum Vorhaben eines „Leistungsschutzrechts für Presseverleger“
Pro Kollisionen zwischen Leistungsschutz- und Autorenrechten sind ausgeschlossen
Contra Das Leistungsschutzrecht würde die Urheberrechte der Journalisten einschränken
- Till Kreutzer
- Philipp Otto
- Matthias Spielkamp
- Joerg Heidrich
- Deutsche Bank Research
- Christoph Fiedler
„Das Urheberrecht des Autors an seinem Text und das Leistungsschutzrecht des Verlegers an dem Presseerzeugnis stehen nebeneinander, behindern sich wegen ihres unterschiedlichen Gegenstandes aber nicht. Der freie Autor kann seinen Artikel wie bisher an mehrere Publikationen verkaufen.” (Fiedler)
Die Verlage verlangen ein Recht, das sich (auch) auf die einzelnen Inhalte erstreckt, indem es Schutz gegen die Übernahme der Texte, Bilder und anderer Werke verleiht, aus denen Zeitungen und Verlagswebseiten bestehen. Ein solches Leistungsschutzrecht würde die Urheberrechte an den Bestandteilen des Presseerzeugnisses (Artikel, Fotos, einzelne Formulierungen aus den Artikeln) unweigerlich überlagern. Es ginge weit über das hinaus, was anderen Inhabern von Leistungsschutzrechten zusteht (Bitkom).
Wenn an Fotos und Artikeln oder gar an Bestandteilen von Artikeln neben dem Urheberrecht der Journalisten ein Leistungsschutzrecht der Presseverlage besteht, können die Journalisten ihre Rechte nicht mehr ungehindert ausüben. Wollen sie ihren Artikel zweitverwerten, müssen sie den Verlag, dem sie den Artikel zunächst überlassen haben, fragen.
„Ohne vertragliche Regelung, greift das Schutzrecht zusätzlich massiv in die Verwertungsbefugnis des Urhebers an seine eigenen Beiträge ein. Ein freier Journalist müsste bei Verwendung seines eigenen Artikels über einen weiteren Vertriebskanal stets den Presseverlag um Erlaubnis fragen oder eventuell Geld bezahlen – auch bei kleinsten Textauszügen.” (Dapp/Lorber, Deutsche Bank Research).
Weitere Informationen
- Joerg Heidrich, Kulturkampf Streit um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage, c't 17/2010
- Till Kreutzer, Vorhang zu und alle Fragen offen: Replik auf Robert Schweizers Verteidigung des Leistungsschutzrechts, Carta vom 23.11.2009
- Kreutzer/Spielkamp/Otto, Entwurf für das Leistungsschutzrecht für Presseverleger: “Nie dagewesene Rechtsverwirrung”, Carta vom 7.5.2010
Pro Die Nutzungs- und Kommunikationsfreiheit wird durch das Zitatrecht gewährleistet
Contra Das Zitatrecht kompensiert die Ausweitung des Schutzes auf Wortschnipsel (Snippets) nicht
Die Kommunikationsfreiheit bleibt durch die Zitierfreiheit gewährleistet. Das urheberrechtliche Zitatrecht soll in vollem Umfang auch für das Leistungsschutzrecht gelten (Schweizer, BDZV und VDZ).
Die Verlage wollen mit dem Leistungsschutzrecht unter anderem erreichen, dass kurze Textausschnitte (Snippets), wie sie vor allem in den Suchmaschinen angezeigt werden, geschützt sind. Bislang sind sie gemeinfrei, weil sie – mangels Schöpfungshöhe – nicht unter das Urheberrecht fallen. Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Paperboy-Urteil entschieden. Im Ergebnis heißt das, dass hiermit jeder „machen kann, was er will”. Weder müssen für Überschriften, einzelne Sätze oder gar Wörter, Vergütungen bezahlt werden, wenn sie ein anderer nutzen will, noch braucht man dafür eine Erlaubnis.
Das Zitatrecht hat damit nichts zu tun. Es wird erst relevant, wenn der übernommene Satz oder Abschnitt für sich genommen einen urheberrechtlich geschützten Werkteil darstellt.
Es ist ein gravierender Unterschied, ob ein Textausschnitt gemeinfrei ist oder nur nach dem Zitatrecht genutzt werden kann. Denn das Zitatrecht ist eine Ausnahme vom Schutzrecht, eine Schrankenbestimmung, die enge Regeln aufstellt. Werden diese Regeln nicht eingehalten, ist die Übernahme eines Textausschnittes (sofern er als solcher geschützt ist) eine (Urheber-)Rechtsverletzung.
So sind Zitate nur in eigenen Werken erlaubt. Es muss ein innerer Zusammenhang zwischen dem Zitat und dem vorhanden sein, was man selbst geschaffen hat. Dabei muss sich der Zusammenhang immer auf das zitierte Schutzgut selbst beziehen. Zitiert man etwa ein Foto von einem Baum, muss das Zitat dazu dienen, sich mit dem Foto auseinanderzusetzen, nicht mit dem Baum. Zitate dürfen einen angemessenen Umfang nicht überschreiten, sie sind immer nur unterstützendes Beiwerk für die Hauptsache, also das eigene Werk. Das Zitierte darf nicht verändert werden und die Quelle ist anzugeben. Schließlich ist das Zitatrecht als urheberrechtliche Ausnahmevorschrift grundsätzlich eng auszulegen.
Dies sollte veranschaulichen, dass das Zitatrecht nur für bestimmte Zwecke der Auseinandersetzung mit fremden Geisteserzeugnissen konzipiert und gedacht ist. Es ist ein kompliziertes und in Zweifelsfällen schwer handhabbares Instrument. Die Nutzung nach dem Zitatrecht ist also keineswegs vergleichbar mit der Nutzung gemeinfreier Inhalte. Dementsprechend macht es einen erheblichen und grundlegenden Unterschied, ob Snippets gemeinfrei sind oder durch ein Leistungsschutzrecht geschützt werden.
Würden sie durch ein neues Leistungsschutzrecht geschützt, wäre eine erhebliche Beschränkung der bisherigen sprachlichen public domain die Folge. Viele kurze Formulierungen dürften dann – unabhängig davon, ob sie ganz banal, allgemein üblich oder besonders kreativ sind – nicht mehr „ohne weiteres” verwendet werden, sondern eben nur noch nach dem komplizierten Zitatrecht.
Dies würde sich gerade auf die Kommunikation und Information über das Internet erheblich auswirken. Viele dort übliche Nutzungen, die im allgemeinen Sprachgebrauch häufig als Zitate bezeichnet werden, fallen gerade nicht unter das Zitatrecht.
Das gilt zunächst für Suchmaschineneinträge. Sie setzen sich mit den Inhalten, auf die sie verweisen, nicht auseinander und stellen auch keine selbständigen Werke dar. Auch reine Inhaltsmitteilungen unter Verwendung von Textausschnitten (Blog-Beiträge, Presseschauen usw.) sind keine Zitate. Werden in einer Presseschau also unter der Überschrift: „Spiegel Online berichtet über die Verfassungsmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung” drei Sätze aus dem entsprechenden SPON-Artikel wiedergegeben, ist das nach heutigem Recht nur erlaubt, weil die drei Sätze nicht geschützt sind. Da es sich aber nicht um ein Zitat handelt, wäre diese – im Internet völlig übliche – Methode unter dem neuen Leistungsschutzrecht zustimmungs- und vergütungspflichtig. Gleiches würde für kommentierte Links gelten, denen einige Worte oder Sätze aus der Originalquelle hinzugefügt werden und für viele, heutzutage wegen der Gemeinfreiheit legale weitere Kommunikations- und Informationspraktiken auch.
Schließlich ist das Zitatrecht natürlich auch dann nicht anwendbar, wenn jemand „versehentlich” dieselbe Überschrift oder zufällig einige identische Sätze für seine Publikation verwendet, die schon irgendwo anders erschienen sind. Dass so etwas ohne weiteres erlaubt ist, ist elementar, um sich in der Sprache frei bewegen zu können und daher elementare Grundlage für alle Kommunikationsfreiheiten (wie die Meinungs-, Presse- oder Wissenschaftsfreiheit). Die Freiheit wird aber nur dann gewährleistet, wenn kurze Wortfolgen gemeinfrei sind. Das Zitatrecht kann diese Funktion nicht erfüllen.
Weitere Informationen
- BDZV, Diskussion um Leistungsschutzrecht versachlichen! Zeitungs- und Zeitschriftenverleger kritisieren Google, Pressemitteilung vom 15.10.2010
- Joerg Heidrich, Kulturkampf Streit um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage, c't 17/2010
- Live: Anhörung zum Leistungsschutzrecht, netzpolitik.org vom 28.6.2010
- Till Kreutzer, Vorhang zu und alle Fragen offen: Replik auf Robert Schweizers Verteidigung des Leistungsschutzrechts, Carta vom 23.11.2009
- Till Kreutzer, Leistungsschutzrecht für Verlage: Mehr Schaden als Nutzen, Carta vom 29.9.2009
- Kreutzer/Spielkamp/Otto, Entwurf für das Leistungsschutzrecht für Presseverleger: “Nie dagewesene Rechtsverwirrung”, Carta.info vom 7.5.2010
- Helmut Hartung, Burda-Vorstand zum Leistungsschutzrecht: Die “gesetzliche Einführung von Paid Content”, Carta vom 5.8.2010
Pro Eingriffe in die Kommunikationsfreiheit sind ausgeschlossen
Contra Das Presse-Leistungsschutzrecht wird die Kommunikationsfreiheiten empfindlich beeinträchtigen
Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage führt zu keinerlei Einschränkungen von bisherigen Freiheiten. Die Kommunikationsfreiheit bleibt durch die Zitierfreiheit gewährleistet, die durch das Leistungsschutzrecht nicht berührt werden soll (Schweizer, BDZV und VDZ).
Zudem bezieht sich das Leistungsschutzrecht nicht auf die Texte selbst. Es greift nicht, wenn jemand etwa eine Überschrift, die schon auf einer Verlagswebseite publiziert wurde, auch auf seiner Webseite verwendet. Das Leistungsschutzrecht schützt vielmehr nur vor Übernahmen von Inhalten von der Originalquelle. Der HTML-Code der Verlagswebseiten verkörpert den Wert, den Presseverlage mit erheblichem Investitionsaufwand schaffen. Er soll davor geschützt werden, von Dritten unbefugt genutzt zu werden (Keese). „Nachrichten, Texte oder gar Worte werden schon deshalb nicht monopolisiert, weil das Leistungsschutzrecht Texte nur in Anbindung an das Presseerzeugnis erfasst. Werden Worte oder Sätze ohne Bezug auf das Presseerzeugnis verwendet, kann, wie heute schon, allenfalls das Urheberrecht des Autors betroffen sein.” (Fiedler)
Ein Monopolrecht, das kleine Textausschnitte, kurze Wortfolgen wie einzelne Sätze oder Überschriften erfasst, wird unweigerlich den Umgang mit der Sprache an sich einschränken. Das Urheberrecht vermeidet solche negativen Effekte. Es ist ein selbstverständlicher Grundsatz, dass nicht die Sprache an sich, sondern nur konkrete Formulierungen geschützt sind. Urheberrechtsschutz entsteht erst ab einer gewissen „Schöpfungshöhe”. Kurze Wortfolgen, Überschriften oder einzelne Sätze in Presseartikeln sind in aller Regel nicht urheberrechtlich geschützt.
Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage soll sich vielmehr auch auf „Teile" von Presseerzeugnissen erstrecken, so der Verlegerentwurf (PDF, § 87f Absatz 1) für eine gesetzliche Regelung des Leistungsschutzrechts aus dem Frühjahr 2010. Mit dieser Regelung wird angestrebt, für die Verwendung von Snippets in Suchmaschinen und News-Aggregatoren Vergütungen fordern zu können. Snippets sind automatisch generierte Ausschnitte aus den verlinkten Inhalten, die aus wenigen Worten bestehen. Fallen sie unter ein ausschließliches Leistungsschutzrecht, bedeutet das, dass derjenige, der sie zuerst veröffentlicht hat, exklusiv darüber entscheiden darf, ob ein anderer sie in irgendeiner Form wiederverwendet und ob hierfür eine Vergütung zu leisten ist. „Als Folge würden selbst kleinste Informationsteile auf allgemein zugänglichen Online-Verlagsseiten kostenpflichtig oder wären zu sperren.” (Gemeinsame Erklärung der deutschen Wirtschaftsverbände).
Der Rechteinhaber – im Fall des Leistungsschutzrechts ein Presseverlag – hat also das alleinige Recht, darüber zu entscheiden, ob zum Beispiel die Überschrift: „Polizei-Skandal bei Castor-Transport” (so Bild.de am 12.11.2010) auch für einen anderen Artikel zum gleichen Thema verwendet werden darf. Oder ob diese Überschrift unter Verweis auf Bild.de in einem Nachrichten-Aggregator angezeigt werden darf. Oder ob in einem Blog berichtet werden darf: „Unter dem Titel ,Polizei-Skandal bei Castor-Transport' berichtet Bild.de heute über den Einsatz französischer Polizeikräfte bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten im Wendland.”
Ein derart weit gehender Schutz würde einer Monopolisierung der Sprache sehr nahe kommen und wäre mit den grundrechtlich garantierten Freiheiten wie der Meinungsäußerungs-, der Presse- und Rundfunk- oder der Wissenschaftsfreiheit unvereinbar.
Nur Schutz der "Original-Quelle"?
Die Verleger spielen dieses Argument der Kritiker herunter. Obwohl sich hierauf in ihrem eigenen Gesetzentwurf (PDF) keinerlei Hinweise finden, behaupteten sie bei der Anhörung im Bundesjustiministerium am 28.6.2010, eine solche Folge sei ausgeschlossen. Das Leistungsschutzrecht solle gar nicht den Text oder Textausschnitt selbst schützen, sondern nur das Presseerzeugnis. Nur wenn sich eine Nutzungshandlung auf die Originalquelle, auf den HTML-Code der Verlagswebseite beziehe, greife das Leistungsschutzrecht. Eine Erklärung, was hiermit gemeint sein soll, blieben die Befürworter allerdings schuldig.
Tatsache ist, dass sehr fraglich ist, wie eine Beschränkung auf die Nutzung der „Original-Quelle” gesetzlich umgesetzt werden soll, um konkret festzulegen, welche Nutzungshandlungen unter das Leistungsschutzrecht fallen und welche nicht. Das Presseerzeugnis besteht aus Texten, Bildern und anderen Inhalten. Auch deren Teile sollen geschützt sein. So würde es dann etwa einen Eingriff in das Vervielfältigungsrecht und das „Recht der öffentlichen Zugänglichmachung” darstellen, wenn einzelne Sätze, Überschriften und so weiter entnommen und dann auf einer anderen Webseite veröffentlicht würden. Soll dies etwa nur dann gelten, wenn solche Textschnipsel per Copy & Paste aus der Verlags-Webseite in das CMS eines Blogs kopiert werden und nicht, wenn der Blogger diese Teile abschreibt? Eine solche Unterscheidung macht bei gerade digitalen Inhalten evident keinen Sinn.
Sinnlos wäre sie schon deshalb, weil das eine oder andere nicht nachgewiesen werden kann. Einem digital gespeicherten Textausschnitt, einem Satz oder einer Überschrift sieht man es nicht an, aus welcher Quelle er stammt, seine „Herkunft“ kann nicht objektiv nachvollzogen werden. Die Folge einer solchen Regelung wäre eine beispiellose Rechtsunsicherheit und im Zweifel eine neue Welle von Abmahnungen und Prozessen. Opfer wären all jene, die – ob bewusst oder zufällig – kurze Wortfolgen verwenden, die bereits Bestandteil einer Presseveröffentlichung waren.
Ein Bezug auf den HTML-Code der Original-Quelle würde diesbezüglich auch nicht weiterhelfen. Denn dieser wird ohnehin nicht mitkopiert, weder bei Suchmaschinen noch bei copy & paste in ein anderes Dokument. Kopiert wird in der Regel nur „Plain Text”, etwa im ASCII- oder Unicode Format (Nolte, Fußnote 56). Daher ist unmöglich festzustellen, ob eine Formulierung unter „Zugriff auf die Originalquelle“ kopiert wurde oder anderweitig übernommen (abgeschrieben, selbst verfasst usw.). Der Schutz würde damit leer laufen, weil der Inhaber des Leistungsschutzrechts die Übernahme beweisen muss. Eine solche Regelung würde dementsprechend keinen Sinn machen, sondern nur Rechtsunsicherheit schaffen.
Diese würde jeden treffen, der im Internet publiziert – jedenfalls zu gewerblichen Zwecken, wenn sich das Leistungsschutzrecht auf gewerbliche Nutzungen beschränken würde. Journalisten und auch Verlage können nicht mehr sicher sein, ob eine Formulierung, die sie verwenden wollen, nicht unter ein Leistungsschutzrecht fällt. Unternehmen und öffentliche Einrichtungen können in der öffentlichen Kommunikation ebenfalls nicht mehr so frei mit der Sprache umgehen, wie es bislang der Fall ist. News-Aggregatoren und Suchmaschinen könnten nicht mehr sämtliche Inhalte (ohne Zustimmung) auffindbar und nutzbar machen. Blogs könnten (ohne Zustimmung) nicht mehr unter Verwendung von Textschnipseln auf Informationen auf Verlagsseiten verweisen.
Das Zitatrecht und andere Schrankenbestimmungen ändern hieran im Übrigen in den meisten Fällen nichts, weil sie hierfür nicht gedacht sind und auch meist keine Anwendung finden werden (Näheres dazu hier).
Weitere Informationen
- Joerg Heidrich, Kulturkampf Streit um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage, c't 17/2010
- BDZV, Diskussion um Leistungsschutzrecht versachlichen! Zeitungs- und Zeitschriftenverleger kritisieren Google, Pressemitteilung vom 15.10.2010
- Live: Anhörung zum Leistungsschutzrecht, netzpolitik.org vom 28.6.2010
- Till Kreutzer, Vorhang zu und alle Fragen offen: Replik auf Robert Schweizers Verteidigung des Leistungsschutzrechts, Carta.info vom 23.11.2009
- Till Kreutzer, Leistungsschutzrecht für Verlage: Mehr Schaden als Nutzen, Carta.info vom 29.9.2009
- Kreutzer/Spielkamp/Otto, Entwurf für das Leistungsschutzrecht für Presseverleger: “Nie dagewesene Rechtsverwirrung”, Carta.info vom 7.5.2010
- Helmut Hartung, Burda-Vorstand zum Leistungsschutzrecht: Die “gesetzliche Einführung von Paid Content”, Carta.info vom 5.8.2010
- Gemeinsame Erklärung der deutschen Wirtschaftsverbände zum Vorhaben eines „Leistungsschutzrechts für Presseverleger“
Pro Vergütungen nach dem Leistungsschutzrecht sind freiwillig - es schafft kein Zwangsabgabemodell
Contra Der Leistungsschutzrechtsvergütung wird sich kaum ein gewerblicher Nutzer entziehen können
Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage hat nichts mit einer „Presse-GEZ” gemein. Dementsprechende Aussagen sind irreführend und unwahr (Döpfner). Zahlen muss nur, wer nutzen will. „Wer das Angebot nicht annehmen will, nutzt nicht und zahlt nicht” (Fiedler). „Deshalb ist auch falsch, den Eindruck zu erwecken, mit dem Leistungsschutzrecht würde eine staatliche Zwangsabgabe geschaffen.” (BDZV).
Sofern Leistungen von Suchmaschinen und Aggregatoren durch das Leistungsschutzrecht erfasst werden, ist die Möglichkeit, der „Nutzung” zu entgehen, rein theoretischer Natur. Zwar ist es möglich, dass solche Dienste Verlagsangebote ausschließen. Das wäre aber einerseits nicht im Interesse der Verlage und würde im Zweifel von diesen angegriffen, etwa mit kartellrechtlichen Mitteln.
Zudem würde hierdurch die Funktion und Aufgabe solcher Dienste konterkariert. Suchmaschinen sollen das Netz gerade inhaltsneutral indexieren ohne zu unterscheiden, von wem die Inhalte bereitgestellt werden. News-Aggregatoren sollen die Nachrichten- und Informationslage zu bestimmten Themen möglichst umfassend abbilden. Nehmen sie wichtige Angebote aus, ergeben sich Lücken, die weder im Interesse der Dienste oder der Verlage noch der Allgemeinheit sind. Soll in die Informationsarchitektur des Internets also nicht nachhaltig eingegriffen werden, müssen Suchmaschinen und Aggregatoren – so sie das Leistungsschutzrecht dazu verpflichtet – zahlen.
„Freiwilliges Modell” für gewerbliche Nutzer?
Dass es sich um ein freiwilliges Modell handeln soll, erscheint nach jetzigem Stand als ein vorgeschobenes Argument. Was den Verlagen eigentlich vorschwebt, wird an deren eigenem Entwurf (PDF) für eine gesetzliche Regelung des Leistungsschutzrechts aus dem Frühjahr 2010 deutlich. Demnach (Paragraf 87g Absatz 3) soll „vermutet“ werden, dass zu gewerblichen Zwecken betriebene Vervielfältigungsgeräte (gemeint sind vor allem Computer) für Nutzungen nach dem Leistungsschutzrecht verwendet werden. Eine solche gesetzliche Vermutung hätte zur Folge, dass jeder, der zum Beispiel Computer zu gewerblichen Zwecken einsetzt, im Zweifel Presseerzeugnisse im Sinne des Leistungsschutzrechts nutzt, mit anderen Worten, eine Lizenz benötigt und Vergütungen zahlen muss. Dass diese Forderung nicht mehr Raum steht, ist nicht ersichtlich. Die Verleger haben sich hiervon jedenfalls nicht distanziert.
Will ein Unternehmen oder ein Freiberufler nicht bezahlen, muss er bei einer Auseinandersetzung beweisen, dass er solche Inhalte nicht nutzt (Mönikes). Ein derartiger Negativbeweis ist naturgemäß schwer zu führen. Wie soll man beweisen, dass man etwas nicht tut? Ob und wie es gewerblichen Nutzern gelingen soll, sich der Vergütungspflicht zu entziehen, ist völlig unklar.
Gerade größeren Unternehmen mit einer Vielzahl von Arbeitsplätzen wäre dies im Zweifel nur möglich, indem umfangreich technische Sperren implementiert werden. Individuell das Nutzungsverhalten ihrer Mitarbeiter zu kontrollieren, ist im Zweifel weder möglich noch wünschenswert. Um effektiv sperren zu können, müsste das Unternehmen zunächst herausfinden, was es sperren muss. Es muss also wissen, was ein „Presseerzeugnis” im Sinne des Leistungsschutzrechts ist, was ein „Presseverlag” ist und so weiter.
Da absehbar ist, dass der Anwendungsbereich des Leistungsschutzrechts kaum trennscharf definiert werden kann, würde eine solche Lösung darauf hinauslaufen, dass die hiermit einhergehende erhebliche Rechtsunsicherheit allein zulasten der Nutzer geht. Sperren sie nicht oder nicht alle vom Leistungsschutzrecht erfassten Angebote, laufen sie Gefahr, rechtlich verfolgt zu werden. Sperren sie zu viel, schneiden sie sich Freiheiten ab, die eigentlich bestehen würden. Diese Unsicherheiten lassen erwarten, dass viele Nutzer bezahlen werden, obwohl sie eigentlich gar nicht nutzen wollen. Dies ist von einer Zwangsabgabe und der Situation bei der GEZ keineswegs so weit entfernt, wie die Presseverlage Glauben machen wollen.
Weitere Informationen
- Hans-Peter Siebenhaar, Springer-Chef pocht auf Online-Gema für Verlage, Handelsblatt vom 14.10.2010
- Joerg Heidrich, Kulturkampf Streit um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage, c't 17/2010
- BDZV, Diskussion um Leistungsschutzrecht versachlichen! Zeitungs- und Zeitschriftenverleger kritisieren Google, Pressemitteilung vom 15.10.2010
- Jan Mönikes, Fragen und Antworten zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger, 29.9.2010
Pro Ein eigenes Leistungsschutzrecht ist nötig, damit sich die Presseverlage gegen die massenhaften Rechtsverletzungen im Internet wehren können
Contra Die Rechtsverfolgung zu erleichtern ist keine Rechtfertigung dafür, ein Monopolrecht zu schaffen
- Vertragsmanagement
- Rechtsverletzungen
- Prozessführungsbefugnis
- Prozessführung
- Piraterie
- einfaches Nutzungsrecht
- Beweisführung
- Ausschließlichkeitsrecht
- AGB
Im Internet findet täglich massenhafter Rechtsbruch statt (Döpfner). „Ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger ist überfällig, um die gemeinsame Leistung von Journalisten und Verlegern angesichts millionenfacher unkontrollierter Vervielfältigungen durch Dritte wirksam schützen zu können.” (BDZV).
„Die Verlage müssen, wenn sie Urheberrechte der Autoren erheben, rechtlich begründen, dass der Text urheberrechtlich schutzfähig ist. Sie müssen darlegen und beweisen, dass ihnen ein ausschließliches Nutzungsrecht an den Beiträgen zusteht. Darüber hinaus: Bei einem einfachen Nutzungsrecht müssen die Autoren und Fotografen prozessual mitwirken. Öfters lassen sich in der Praxis die Autoren gar nicht oder nur zum Teil feststellen. Übertragen wird, wenn überhaupt, nur ein Ausschnitt des Urheberrechts. Die Digitalisierung führt jedoch dazu, dass unter diesen Umständen die Menge nicht mehr bewältigt werden kann.” (Schweizer)
Presseerzeugnisse enthalten Beiträge von tausenden Autoren, mit denen oft keine Verträge geschlossen wurden. Ein Beweis der eigenen Rechtsbefugnis ist dann nicht möglich.
Zudem lassen sich die Verleger vor allem an Zeitungsartikeln in der Regel nur einfache (nicht-exklusive) Nutzungsrechte einräumen, die den Verlag nicht dazu berechtigen, gerichtlich gegen Rechtsverletzer vorzugehen. „Dann ist der Verleger auf die prozessuale Mitwirkung des Journalisten angewiesen. Das führt zu häufig unüberwindbaren Problemen und nicht selten dazu, auf die Geltendmachung von Rechten ganz verzichten zu müssen, weil Aufwand und Nutzen einer Rechtsverfolgung außer Verhältnis stehen.” (Hegemann).
Dagegen, ein Leistungsschutzrecht einzuführen, um den Presseverlagen die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, sprechen maßgeblich zwei Gründe: Zum einen ist schon nicht belegt, dass die Presseverlage über das normale Maß Probleme mit Rechtsverletzungen haben. Zum anderen würde das bedeuten, „mit Kanonen auf Spatzen zu schießen”. Um die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, sind rechtliche Maßnahmen möglich, die weit weniger Kollateralschäden und Eingriffe in die Rechte Dritter nach sich ziehen.
Massenhafte Piraterie von Presseverlagserzeugnissen?
Zunächst ist die Behauptung, dass gerade Presseverlage akut durch massenhafte Rechtsverletzungen (Piraterie) betroffen seien, unbelegt. Die Nutzungen von Online-Presseerzeugnissen sind in aller Regel legal. Weder verstoßen Suchmaschinen gegen Gesetze, wenn sie auf Verlagsangebote verweisen und zu diesem Zweck kurze Textausschnitte (Snippets) anzeigen. Noch ist es – natürlich – nicht rechtswidrig, die frei im Netz abrufbaren Artikel zu lesen oder auszudrucken. Ganz gleich, ob dies zu privaten oder zu gewerblichen/beruflichen Zwecken erfolgt.
Die Behauptung, dass Piraterie ein großes Problem für Presseverlage darstellt, ist nicht nur unbelegt, sondern auch unwahrscheinlich. Evident sind Musik- oder Filmindustrie wesentlich mehr durch rechtswidrige Nutzungen ihrer Produkte bedroht. Sie bieten ihre Inhalte nur gegen Bezahlung an. Dadurch entsteht ein Interesse der Nutzer daran, sich und anderen kostenlosen Zugang zu verschaffen; was wiederum erklärt, warum so viel Musik, Filme, Computerprogramme und andere kostenpflichtige Produkte illegal ins Netz gestellt werden.
Die Presseverlage hingegen stellen ihre Angebote freiwillig zur kostenlosen Nutzung ins Internet, die Einnahmen werden über Werbung erzielt. Die Nutzung an sich ist also erlaubt und kostenfrei. Eine möglichst umfangreiche (kostenlose) Nutzung ist sogar gewünscht, da die Höhe der Werbeeinnahmen von der Nutzungsintensität (von „Page Impressions“) abhängt.
Angebote kostenlos frei zugänglich zu machen, ist der beste Schutz gegen Piraterie. Wenn jeder ohnehin frei nutzen kann und darf, besteht kaum ein Anlass, Inhalte zu kopieren und illegal an anderer Stelle noch einmal ins Netz zu stellen.
Rechtsdurchsetzung erleichtern mit milderen Mitteln
Weiterhin ist schon im Grundsatz fraglich, ob es Aufgabe des Gesetzgebers ist, die Verlage dabei zu unterstützen, ihre Rechte durchsetzen zu können und ob überhaupt eine Notwendigkeit dafür besteht. Jeder Marktteilnehmer ist selbst dafür verantwortlich, seine Rechte ordnungsgemäß zu dokumentieren, um sie belegen zu können. Auch für die Verlage ist es zumutbar und sollte es möglich sein, mit ihren Vertragspartnern Verträge zu schließen, die in Rechtsstreitigkeiten als Beweis dienen können. Zudem gibt es keinerlei Anhaltspunkte, geschweige denn Belege, dass dies gerade bei Presseverlagen – im Vergleich zu anderen Verwertern, wie z. B. Herstellern komplexer Multimedia-Produkte – der Fall sein sollte. Würde sich hieraus ein zwingendes Argument dafür ergeben, dass ein Leistungsschutzrecht gewährt wird, müssten zum Beispiel auch Computerspiel-Hersteller ein Leistungsschutzrecht erhalten. Auch an ihren Produkten arbeiten viele Urheber.
Im Übrigen ist es für den Erwerb von Rechten und dessen Beweisfähigkeit nicht erforderlich, dass über jede Veröffentlichung ein eigenständiger Vertrag geschlossen wird. Für angestellte Journalisten gelten ohnehin Arbeits- und Tarifverträge, aus denen sich eindeutig ergeben sollte, welche Rechte der Journalist dem Verlag überträgt. Mit freien Journalisten können und werden Nutzungsrechtsvereinbarungen über allgemeine Geschäftsbedingungen getroffen (wie zum Beispiel die „Honorarregelungen (Text/Bild) für freie Journalistinnen und Journalisten an Zeitschriften Axel Springer AG”). Diese können für eine Vielzahl von Einzelveröffentlichungen gelten, sofern der Journalist nur ordnungsgemäß hierauf hingewiesen wird.
Das Problem, dass nur ausschließliche, nicht aber einfache Nutzungsrechte nach dem Urheberrechtsgesetz zur gerichtlichen Durchsetzung berechtigen, kann ebenfalls durch entsprechende Vertragsgestaltung vermieden werden. Eine Prozessführungsbefugnis für einfache Nutzungsrechte lässt sich zum Beispiel der Axel-Springer-Verlag standardmäßig durch seine "Honorarregelungen (Text/Bild) für freie Journalistinnen und Journalisten an Zeitungen" ausdrücklich einräumen. Hier heißt es: "Der Verlag ist unwiderruflich zur Prozessführung und Einräumung von Unterlizenzen hinsichtlich der erworbenen Rechte ermächtigt."
Selbst wenn es zuträfe, dass ein ordnungsgemäßes Vertragsmanagement für Presseverlage ein derart unlösbares Problem wäre, dass es gesetzlicher Unterstützung bedarf, wäre ein Leistungsschutzrecht hierfür kein angemessenes Mittel. Es würde genügen, den Verlagen – unabhängig von der Exklusivität der ihnen eingeräumten Nutzungsrechte – eine gesetzliche Prozessführungsbefugnis einzuräumen. Das meint auch der Rechtswissenschaftler Karl-Nikolaus Peifer, der hierfür eine konkrete Formulierung vorschlägt (siehe Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht, Heft 4/2010, S. 271).
Eine gesetzliche Prozessführungsbefugnis hätte keine der „Nebenwirkungen”, die ein Leistungsschutzrecht nach sich ziehen würde. Weder käme es zu Kollisionen mit den Urheberrechten der Journalisten noch zu Beschränkungen grundrechtlicher Freiheitsrechte oder zu Belastungen von Wirtschaft und Freiberuflern.
Weitere Informationen
- Kai-Hinrich Renner, „Das Copyright ist der Copypreis der Zukunft”, Hamburger Abendblatt vom 9.9.2009
- Jan Hegemann, Schutzlos ausgeliefert im Internet, FAZ vom 9.4.2009
- Till Kreutzer, Freiwild oder Artenschutz: Ausbeutung durch AGB, iRights.info vom 3.5.2009
- BDZV, Diskussion um Leistungsschutzrecht versachlichen! Zeitungs- und Zeitschriftenverleger kritisieren Google, Pressemitteilung vom 15.10.2010
- Robert Schweizer, „Fair Share”: Verlage sollten angemessen an Werbeeinnahmen aus Links beteiligt werden, Carta vom 19.11.2009
Pro Viele andere Länder gewähren ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger
Contra Ein Presseleistungsschutzrecht, wie in Deutschland gefordert, wäre international einmalig
Deutschland hinkt im internationalen Vergleich hinterher. „In anderen Ländern gibt es vergleichbare Rechte der Verleger längst” (Hegemann). „Ausländische Rechte tendieren zum Leistungsschutz für Verlage” (Schweizer). Vor allem in Großbritannien wird bereits seit 1956 das so genannte Publisher's Right gewährt. Nach dessen Vorbild führten auch viele andere Länder ein Verlegerrecht ein.
Ein Leistungsschutzrecht, wie es von den deutschen Presseverlagen gefordert wird, gibt es in keinem anderen Land auf der Welt. Es wäre ein internationales Novum, das in dieser Form weder im internationalen noch im europäischen Urheberrecht existiert.
Das häufig in diesem Zusammenhang zitierte britische Publisher’s Right schützt nur die typografische Gestaltung von Verlagserzeugnissen. Es erstreckt sich gerade nicht auf die Inhalte, also die Artikel, Fotos und sonstigen Bestandteile eines Presseerzeugnisses oder gar kleine Textausschnitte. Es schützt vielmehr nur das Layout, das Design vor unbefugter Übernahme (Nolte, S. 192).
Das bedeutet, dass Verlage auf Basis des Publisher's Right niemandem untersagen können, die Inhalte aus einem Presseerzeugnis zu verwenden. Weder kann hiernach die Übernahme einzelner Texte, Fotos oder Grafiken verboten werden, noch können aufgrund dessen Vergütungen verlangt werden, wenn solche Inhalte übernommen werden. Umso weniger bietet das Publisher's Right eine Schutz dagegen, dass in Suchmaschinen oder Publikationen Dritter kleine Textausschnitte (Snippets) verwendet werden oder dass Endnutzer Presseerzeugnisse lesen oder vervielfältigen. Gegenüber solchen Verwendungsformen entfaltet es keinerlei Wirkung. Das Layout von Zeitungen oder Webseiten wird bei Internet-Nutzungen (zum Beispiel durch Suchmaschinen) gerade nicht übernommen.
Ein Leistungsschutzrecht nach Vorbild des Publisher's Right würde den Vorstellungen der deutschen Presseverleger in keiner Weise genügen. Es kann also nicht herangezogen werden, um zu begründen, dass Deutschland sich einem angeblichen internationalen Standard anpassen müsse. Ein solcher existiert nicht, im Gegenteil. Würde Deutschland ein Presseleistungsschutzrecht mit dem Umfang, wie es von den Verlegern gefordert wird, einführen, wäre es weltweit das erste seiner Art (Kreutzer, Nolte).
Weitere Informationen
- Georg Nolte, Zur Forderung der Presseverleger nach Einführung eines speziellen Leistungsschutzrechts, Zeitschrift für Geistiges Eigentum, Band 2/2010, S. 165 ff.
- Till Kreutzer, Vorhang zu und alle Fragen offen: Replik auf Robert Schweizers Verteidigung des Leistungsschutzrechts, Carta.info vom 23.11.2009
- Georg Nolte, Leistungsschutzrecht: Presseverlage wollen Zwangsabgaben statt Marktlösung, Carta.info vom 17.5.2010
- Robert Schweizer, “Fair Share”: Verlage sollten angemessen an Werbeeinnahmen aus Links beteiligt werden, Carta.info vom 19.11.2009
- Jan Hegemann, Schutzlos ausgeliefert im Internet, FAZ vom 9.4.2009
Pro Presseverlage müssen mit Tonträger- und Filmherstellern gleichgestellt werden
Contra Die Leistungen der Presseverleger sind mit denen anderer Werkmittler nicht vergleichbar
„Wir wollen nicht mehr als das, was andere – nämlich Fernsehsender, Konzertveranstalter, Filmproduzenten, Datenbankhersteller und viele weitere Branchen – seit Jahrzehnten haben” (BDZV und VDZ in einer gemeinsamen Pressemitteilung). Die Presseverleger werden gegenüber anderen "Werkmittlern" wie Filmproduzenten, Tonträgerherstellern, Sendeunternehmen oder Konzertveranstaltern, benachteiligt, sie stehen rechtlich „nackt da” (Hegemann).
Gleiches wird hier ungleich behandelt. Die Leistung des Presseverlegers ist nicht weniger schutzwürdig als die anderer Werkmittler. "Der Presseverleger schafft die Voraussetzung dafür, dass der journalistische Beitrag überhaupt Leser findet und Wirkung entfalten kann." (Hegemann).
Die Leistungen der Presseverleger sind mit denen anderer Werkmittler, die nach geltendem Recht Leistungsschutzrechte haben, nicht vergleichbar.
Anders als Presseverlage erbringen die Tonträger-, Film- oder Datenbankhersteller Leistungen, die sich von den zugrundeliegenden oder „vermittelten” Werken ohne weiteres unterscheiden lassen. Der Tonträgerhersteller hat Rechte an der Tonaufnahme. Die Tonaufnahme kann von der Leistung der ausübenden Künstler, also vom Gesang oder der Interpretation durch die ausübenden Künstler, sowie von den Werken der Musikurheber (Komposition, Liedtexte) unterschieden werden.
Die ausübenden Künstler haben ein Leistungsschutzrecht an ihrer „Darbietung“ eines urheberrechtlich geschützten Werkes. Der Gesang, die schauspielerische Leistung sind eigenständige Leistungen, die nicht mit der Komposition oder dem Drehbuch identisch sind. Der Filmhersteller hat Rechte am Masterbildträger, also an der gesamten Filmaufnahme. Diese kann ohne weiteres von den Leistungen der Filmschaffenden (Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor, Cutter usw.) unterschieden werden.
Kurzum: Alle anderen Inhaber eines Leistungsschutzrechts schaffen etwas, das nicht mit den zugrundeliegenden Inhalten oder deren Summe identisch ist, sondern als solches isoliert betrachtet und geschützt werden kann. Die Inhalte (Werke) selbst werden durch ihre Leistungsschutzrechte nicht berührt. Daher kommt es hier auch nicht zu Abgrenzungsschwierigkeiten oder Überschneidungen mit dem Urheberrecht.
Bei den Presseerzeugnissen der Verlage ist das anders. Ein Text ist ein Text. Dadurch, dass er auf eine Webseite gestellt wird, entsteht nichts Weiteres, nichts Neues, mit anderen Worten: kein immaterieller Gegenstand der einem Recht zugeordnet werden könnte, das unabhängig von dem (Urheber-)Recht ist, das an dem Text ohnehin schon besteht.
Einzig die Aufbereitung der Texte durch den Verlag in einem Gesamterzeugnis könnte (ähnlich einem Tonträger) von den Einzelleistungen der Urheber unterschieden und einem eigenen Schutzrecht unterstellt werden. Ein solcher „Layoutschutz“ bzw. ein Schutz gegen die Verwendung der Gesamtausgabe ist jedoch nicht das, was die Verlage verlangen. Sie verlangen vielmehr ein Recht, das sich auch auf die einzelnen Inhalte erstreckt, indem es Schutz gegen die Übernahme der urheberrechtlich geschützten Texte, Bilder und anderen Werke verleiht, aus denen Zeitungen und Verlagswebseiten bestehen. Ein solches Leistungsschutzrecht würde die Urheberrechte an den Bestandteilen unweigerlich überlagern. Es ginge weit über das hinaus, was anderen Inhabern von Leistungsschutzrechten zusteht (Bitkom).
Ein solches Recht gibt es bislang nicht. Weder erstreckt sich das Recht der Tonträgerhersteller auf die Komposition oder die Darbietungen der ausübenden Künstler noch betrifft das Recht des Datenbankherstellers die in der Datenbank enthaltenen Inhalte und Daten.
Ein Leistungsschutzrecht, wie es die Verleger verlangen, ist daher gerade nicht vergleichbar mit den bestehenden Leistungsschutzrechten. Insofern können solche Rechte auch nicht herangezogen werden, um die Forderung der Presseverlage zu rechtfertigen.
Im Übrigen gibt es ohnehin kein „Gleichbehandlungsgebot“ bei der Gewähr von Leistungsschutzrechten. Im Gegenteil: Bei den bislang gewährten Leistungsschutzrechten handelt es sich um Ausnahmen von der Regel, dass diejenigen, die urheberrechtlich geschützte Werke verwerten, Rechtsschutz nur dadurch erlangen können, dass sie sich von den Urhebern Nutzungsrechte einräumen lassen („abgeleitete Rechte“).
Eigene Schutzrechte, die neben dem Urheberrechtsschutz bestehen, werden nur in seltenen Fällen gewährt, wenn dies dringend geboten, vor allem notwendig ist, um legitime Interessen der Leistungserbringer zu sichern, ohne hierbei in Rechte und Interessen Dritter unangemessen einzugreifen. Dies ist bei den Presseverlegern, die durch die abgeleiteten (Urheber-)Rechte umfassend geschützt werden, nicht der Fall.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass den Presseverlegern auch in anderen Ländern keine den Rechten von Tonträger- oder Filmherstellern vergleichbare Leistungsschutzrechte gewährt werden. Zudem haben auch viele andere „Werkmittler“, die dafür sorgen, das urheberrechtlich geschützte Werke genutzt, aufgefunden oder (effizienter) rezipiert werden können, keine eigene Leistungsschutzrechte.
Das sind im Online-Bereich zum Beispiel die Suchmaschinenbetreiber, News-Aggregatoren oder sonstige Mehrwertdienstleister sowie Online-Stores (wie iTunes) und Streaming-Dienste. Obwohl auch sie viel Geld in Infrastruktur und die Aufbereitung von Werken und Inhalten investieren und diese Investitionen ganz wesentlich zur Vermittlung und Wahrnehmung von geistigen Schöpfungen beitragen, stehen ihnen keine Leistungsschutzrechte zu.
Weitere Informationen
- Verlegerverbände: BDI-Erklärung inkonsequent und pressefeindlich, Pressemitteilung von VDZ und BDZV vom 23.9.2010
- Jan Hegemann, Schutzlos ausgeliefert im Internet, FAZ vom 9.4.2009
- BITKOM, Stellungnahme zu Überlegungen der Einführung eines urheberrechtlichen Leistungsschutzrechts für Presseverleger, 25.6.2010
Pro Die Presseverlage benötigen ein Leistungsschutzrecht, um im Internet Geld verdienen zu können
Contra Der Online-Markt ist im Wandel, neue Geschäftsmodelle müssen entwickelt werden und sich bewähren
Mit Journalismus kann man im Internet „derzeit nicht verdienen” (Christoph Keese). Alle Versuche, journalistische Online-Angebote gewinnbringend auszugestalten, sind gescheitert. Da der Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt mehr und mehr zurückgeht, ist der Qualitätsjournalismus in Deutschland an sich in Gefahr.
In einer guten wirtschaftlichen Situation befinden sich nur einige Großverlage. Auch diese können ihr Geld jedoch zukünftig nicht mehr mit ihren Presseerzeugnissen verdienen, da die Absatzzahlen von Zeitungen und Zeitschriften zurückgehen und journalistische Online-Angeboten nicht einmal kostendeckend betrieben werden können. Journalismus kann daher langfristig nur noch per Querfinanzierung angeboten werden (Christoph Keese, BDVZ und VDZ). Das bedroht den Qualitätsjournalismus an sich.
Es bedarf daher eines eigenen Leistungsschutzrechts, um neue Einnahmequellen für Online-Angebote erschließen zu können. Der Gesetzgeber würde damit ein gesetzliches Paid Content schaffen (Robert Schweizer), denn es hat sich gezeigt, dass Online-Werbung allein „kein tragfähiges Geschäftsmodell für journalistische Qualität im Internet” ist (Hubert Burda). Hiervon profitieren vor allem die Suchmaschinen. Die Verlage fordern deshalb, „an den Erlösen der Suchmaschinen fair und zu überprüfbaren Konditionen zu partizipieren" (Hubert Burda).
Um die unbezahlte kommerzielle Verwertung der Verlagsangebote durch Dritte zu überwinden, ist es erforderlich, dass „jeder gewerbliche Nutzer der Verlagsprodukte im Internet” (Christoph Keese) diese Nutzung auch vergütet.
Vielen Presseverlagen geht es keineswegs so schlecht, wie es meist dargestellt wird. Insbesondere die großen Presseverlage (allen voran der Axel-Springer-Verlag) verkünden kontinuierlich Rekordumsätze und große Umsatz- und Gewinnsteigerungen. Anfang November 2010 wurde etwa bekannt gegeben, dass Axel Springer in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres „das um Sondereffekte und Kaufpreisallokationen bereinigte Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) um 45,9 Prozent auf EUR 385,8 Mio. (Vj.: EUR 264,5 Mio.)” steigerte.
Konzernchef Mathias Döpfner zeigte sich zudem in einem Interview gegenüber dem Handelsblatt sehr zuversichtlich über die weitere Entwicklung auch und gerade der Pressesparte des Konzerns und konnte beachtliche Erfolge verkünden. So seien die kostenpflichtigen Apps von „Bild” und „Welt” rund 280 000-mal heruntergeladen worden. Ein „bemerkenswert hoher Anteil von Nutzern” wurde zudem als längerfristige Abonnenten der Apps gewonnen, von denen „viele bislang gar keine Leser unserer Blätter gewesen” sind. Ein Jahr nach dem Launch sei „Bild” die meistverkaufte deutsche Nachrichten-App. Man probiere derzeit verschiedene Angebotsformen und Preismodelle aus. Für die Zukunft prognostizierte Döpfner: „Wir wollen in sieben Jahren die Hälfte unserer Umsätze im digitalen Bereich machen. Derzeit entwickelt sich alles so dynamisch, dass wir dieses Ziel schneller erreichen können.”
Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung, mit elektronischen Presseerzeugnissen könne kein oder nicht genug Umsatz erzielt werden, offensichtlich unwahr. Ebenso kann angesichts des sich abzeichnenden enormen Potenzials von alternativen Geschäftsmodellen bei elektronischer Presse keine Rede davon sein, dass das Kerngeschäft der Presseverlage zukünftig nur noch durch Quersubventionierung aufrecht erhalten werden könne und die Existenz qualitativer Presseprodukte akut gefährdet sei.
Nicht einmal die Behauptung, dass der Absatz von Print-Produkten (Zeitungen und Zeitschriften) drastisch zurückgehe, trifft zu. „Eine KPMG-Marktstudie von Februar 2010 zum ,Medienmarkt Deutschland' belegt vielmehr, dass Reichweite und Umsätze im Printgeschäft nicht zurückgegangen sind, sondern auf einem relativ stabilen und hohen Niveau stagnieren” (Haller).
Der Umstand, dass im Zuge des Medienwandels Geschäftsmodelle geändert und neue Produkte entwickelt werden müssen, liegt in der Natur der Sache und trifft alle auf diesem Gebiet tätigen Branchen gleichermaßen. Es gibt keine Rechtfertigung für die Presseverleger, durch Eingriffe in den Markt die Freiheitsrechte Dritter zu beschneiden und auf Kosten der Wirtschaft „gesetzlich ein Paid Content einzuführen” (wie Hubert Burda Folge und Zweck des Leistungsschutzrechts in einem Interview vom 5.8.2010 ausdrücklich bezeichnete).
Weitere Informationen
- Hubert Burda, Wir werden schleichend enteignet, FAZ vom 30.6.2009
- Jan Hegemann, Schutzlos ausgeliefert im Internet, FAZ vom 9.4.2009
- Torsten Kleinz, Leistungsschutzrecht: Nicht nur Google soll zahlen, Heise Online vom 11.3.2010
- Meedia, Medienkonzern steigert Rendit 2010 auf 18,6 Prozent Rekordkurs: Springer hat Krise abgehakt, Meldung vom 10.11.2010
- Steingart/Siebenhaar, „Depression ist völlig unangebracht“, Interview mit Mathias Döpfner im Handelsblatt vom 8.11.2010
- Arnd Haller, Zehn Gründe gegen ein Presse-Leistungsschutzrecht, Telemedicus.info vom 4.8.2010
Pro Die Verleger werden „schleichend enteignet”!
Contra Von „Enteignung” kann keine Rede sein!
- Werbemarkt
- Urheberrecht
- Suchmaschinen
- Provider
- Piraterie
- News-Aggregatoren
- Google-News
- Geschäftsmodelle
Suchmaschinen, News-Aggregatoren, Provider und andere Internet-Anbieter verdienen mit den Inhalten der Presseverlage viel Geld, nicht aber die Verlage selbst. Von Online-Werbung profitieren vor allem die Suchmaschinenbetreiber, während die Verlage nur geringe Umsätze erzielen. Das muss sich ändern. Hubert Burda schreibt in der F.A.Z.: „Wer die Leistungen anderer nutzt, muss dafür bezahlen. Dieses ökonomische Grundprinzip muss auch im digitalen Zeitalter mit seiner ,Link-Ökonomie' gelten. Sonst sehen wir der schleichenden Enteignung der Inhalte-Produzenten tatenlos zu.”
Suchmaschinen, News-Aggregatoren und andere Internet-Dienstleister verstoßen nicht gegen das Gesetz. Weder übernehmen („klauen”) sie ganze Inhalte oder Artikel der Verlage noch beuten sie deren Leistungen aus. Vielmehr sorgen sie für einen großen Teil der Werbeeinnahmen, die über die Webseiten der Presseverlage generiert werden, da sie die Reichweite der Angebote maßgeblich mitbestimmen.
Im Übrigen handeln Suchmaschinen nach der Rechtsprechung des BGH nicht rechtswidrig, verstoßen vor allem nicht gegen das Urheberrecht an den von den Verlagen veröffentlichten Artikeln.
Schon im Jahr 2003 hat der Bundesgerichtshof in seinem Paperboy-Urteil (Urteil vom 17. Juli 2003 – Az. I ZR 259/00) entschieden, dass Suchmaschinen und ähnlichen Informationsdienstleistern eine elementare Funktion im Internet zukommt. Sie machen die Informationsfülle im Netz erst nutzbar, indem sie dafür sorgen, dass Inhalte gezielt gesucht und aufgefunden werden können.
Suchmaschinen greifen nach der Paperboy-Entscheidung nicht in das Urheberrecht ein, weder indem sie auf Originalinhalte von Verlagen verlinken noch indem dort kurze Textausschnitte (Snippets) angezeigt werden, die den Original-Quellen entnommen wurden. Der BGH entschied vielmehr, dass den Verlagen unter keinen rechtlichen Umständen Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche gegen einen Suchmaschinenbetreiber zustehen, also weder aus dem Urheberrecht oder dem Recht des Datenbankherstellers noch aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Eine Suchmaschine übernehme keine Leistungen von Content-Anbietern (wie Verlagen), sondern mache ohnehin – mit Willen der Anbieter – öffentlich zugängliche Inhalte auffindbar.
Diese Rechtsprechung wurde durch die Entscheidung Vorschaubilder aus dem Jahr 2010 (Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08, Rz. 37) erneut bestätigt.
Im Übrigen besteht für die Verlage die technische Möglichkeit, ihre Seiten von der Indexierung durch Suchmaschinen oder News-Aggregatoren auszuschließen. Dass ihre Inhalte gefunden werden, ist also ihre eigene Entscheidung, die jederzeit rückgängig gemacht werden kann. Allerdings machen sie hiervon keinen Gebrauch, da sie von den Suchmaschinen und Aggregatoren maßgeblich profitieren.
Pro Das Leistungsschutzrecht soll Schutzlücke schließen
Contra Die Presseverlage werden ausreichend durch das Urheberrecht geschützt
- Wirtschaftsverbände
- VDZ
- Hubert Burda Media
- Deutsche Bank Research
- BITKOM
- BDZV
- BDI
- Axel Springer Verlag
Das Leistungsschutzrecht wird benötigt, um eine Schutzlücke zu füllen. Anders als andere Werkmittler haben die Verlage keine eigenen Eigentumsrechte an ihren Leistungen. Sie sind daher „schutzlos ausgeliefert im Internet“ (Hegemann). Auch die Presseverlage „brauchen die Sicherheit, dass ihnen das ausschließliche Recht auf Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Wiedergabe und öffentliche Zugänglichmachung für Presseerzeugnisse zusteht, und das muss auch für digitale Medien gelten.” (Hubert Burda).
Eine Schutzlücke existiert nicht. Die Verlage lassen sich umfassend Rechte von den Journalisten einräumen (durch Autoren- oder Arbeitsverträge, allgemeine Geschäftsbedingungen wie Autoren- und Publikationsbedingungen, Tarifverträge etc.).
Gerade die großen Verlage verwenden sehr häufig Total-buyout-Verträge, nach denen die Journalisten alle relevanten Nutzungsrechte (auch für Zweitverwertungen) zeitlich und räumlich unbegrenzt an den Verlag abtreten. Repräsentatives Beispiel hierfür sind die „Honorarregelungen (Text/Bild) für freie Journalistinnen und Journalisten an Zeitschriften Axel Springer AG” (Ziffer I.1), die auf eine Klage des DJV von Berliner Gerichten teilweise für unzulässig erklärt wurden. Auch nach der Änderung lässt sich der Verlag nach Informationen des DJV „weiterhin umfassende Rechte für alle denkbaren Nutzungsarten unabhängig vom eigentlichen Nutzungszweck” einräumen.
Der Verlag tritt damit annähernd vollumfänglich in die Rechtsstellung des Urhebers ein. Er kann sich mit den übertragenen Befugnissen gegen unbefugte, rechtswidrige Nutzungen zur Wehr setzen (Heidrich). Diese Befugnis lässt sich zum Beispiel der Springer Verlag durch seine „Honorarregelungen (Text/Bild) für freie Journalistinnen und Journalisten an Zeitungen” (Ziffer I.2) ausdrücklich einräumen.
Vor diesem Hintergrund geht es den Verlagen nicht darum, eine Schutzlücke zu füllen, sondern einen Schutz zu erhalten, der über die bisher existierenden Rechte weit hinausgeht. Dies betrifft vor allem kurze Ausschnitte aus Texten (Snippets) wie Überschriften oder einzelne Sätze, wie sie von den Suchmaschinen angezeigt werden. Dass kurze Textschnipsel nicht geschützt sind, ist keine unbeabsichtigte „Schutzlücke“, sondern Ausfluss der grundrechtlichen Abwägung durch das Urheberrecht. Die Ausdrucksmittel (hier also: die Sprache) müssen hiernach frei bleiben, das Urheberrecht schützt deshalb Sprachwerke erst ab einem gewissen Maß an schöpferischer Leistung (Texte von gewisser Länge).
Weitere Informationen
- Till Kreutzer, Leistungsschutzrecht für Verlage: Mehr Schaden als Nutzen, Carta.info vom 29.9.2009
- Till Kreutzer, Freiwild oder Artenschutz: Ausbeutung durch AGB, iRights.info vom 3.5.2009
- Georg Nolte, Leistungsschutzrecht: Presseverlage wollen Zwangsabgaben statt Marktlösung, Carta.info vom 17.5.2010
- Dapp/Lober, Leistungsschutzrecht – mehr Schutz als Leistung!, Deutsche Bank Research vom 29.9.2010
- BITKOM, Stellungnahme zu Überlegungen der Einführung eines urheberrechtlichen Leistungsschutzrechts für Presseverleger, 25.6.2010
- Jan Hegemann, Schutzlos ausgeliefert im Internet, FAZ vom 9.4.2009
- Hubert Burda, Wir werden schleichend enteignet, FAZ vom 30.6.2009
- Joerg Heidrich, Kulturkampf - Streit um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage, c't 17/2010