Am 4. August 2011 - 8:34 Uhr von Philip Banse

Bernhard Rohleder (BITKOM): 
Verlage sollten ihre Defensivstrategie überwinden

Publikationsdatum 04.08.2011 ~ Art des Materials: Akteure: Soziales System: Lizenz: 

Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des IT-Branchenverbands BITKOM, im IGEL-Interview: Die Verleger reden – auch unabhängig vom Leistungsschutzrecht – mit den maßgeblichen Anbietern über Kooperations- und Erlösmodelle zugunsten der Verlage. Sie wären besser beraten, ihre Energie in neue Geschäftsmodelle statt in Defensivstrategien zu strecken.

Philip Banse: Belgische Zeitungen haben Google gerichtlich untersagen lassen, sie zu verlinken. Jetzt beklagen sich die Verlage, dass ihre Web-Publikationen in der Suchmaschine nicht mehr auftauchen. Ist das ein Vorgeschmack auf ein Leistungsschutzrecht in Deutschland, wenn Google News Lizenzgebühren für Links zahlen müsste?

Foto: BITKOM

Bernhard Rohleder: Absolut. Aber noch gibt es kein Leistungsschutzgesetz. Wir rechnen zwar damit, dass das Bundesjustizministerium im Herbst einen Gesetzesvorschlag vorlegt. Aber ob der in dieser Legislaturperiode und in dieser Form umgesetzt wird, ist eine ganz andere Frage.

Was sind die Eckpunkte dieses Gesetzesentwurfs?

Da wird im Moment sehr viel hinter verschlossen Türen entwickelt. In die internen Diskussionspozesse im Justizministerium haben wir keinen Einblick. Aber wir gehen nach den öffentlichen Aussagen davon aus, dass der Vorschlag aus dem Justizministerium das „Modell light” widerspiegeln wird.

Die Bundesjustizministerin hatte dieses „Modell light” so beschrieben, dass es zum Beispiel keine Abgabe geben soll für die gewerbliche Nutzung von Texten. Ist das vom Tisch?

Ja, das hoffen wir.

Welches Problem soll das Leistungsschutzrecht eigentlich lösen?

Die Verlage setzen auf das Leistungsschutzrecht, weil sie auf neue Einnahmen und Geschäftsmodelle hoffen. Ich bezweifle, dass sich diese Hoffnungen erfüllen werden. Diese beiden Dinge werden in der Diskussion stets miteinander verknüpft, haben aber nicht zwingend etwas miteinander zu tun.

Welche Dinge werden miteinander verknüpft und haben nichts miteinander zu tun?

Das Thema Leistungsschutzrecht und die Frage, inwieweit die Verlage an Erträgen beteiligt werden, die bestimmte Dienste-Anbieter im Internet machen, weil sie auf Verlagsprodukte derzeit noch unentgeltlich hinweisen.

Aber die Logik ist doch, dass beispielsweise Snippets, also Überschriften mit Link zum Original wie sie Google News etwa anbietet, geschützt und abgabepflichtig werden sollen. So wäre mit dem Leistungsschutzrecht doch Geld einzunehmen.

Ja, aber dafür brauchen sie nicht zwingend ein Leistungsschutzrecht. Die Verleger reden völlig unabhängig vom Leistungsschutzrecht mit den maßgeblichen Anbietern über einschlägige Kooperations- und Erlösmodelle zugunsten der Verlage. Sprich, auch wenn es kein Leistungsschutzrecht geben sollte, werden die Verlage diesen Anspruch, an den Erträgen der Internet-Dienstleister teilzuhaben, nicht fallen lassen.

In seinem Blog hat Christoph Keese den Zweck eines Leistungsschutzrechts konkretisiert – und zwar vor dem Hintergrund dieser Rechnungen, die Springer derzeit für Zitate aus „Welt“ und „Bild“ verschickt. Keese beklagt, dass Springer dabei in jedem Einzelfall nachweisen müsse, die Nutzungsrechte vom Urheber übertragen bekommen zu haben. Mit einem Leistungsschutzrecht, so Keese, würden solche Verfahren wesentlich vereinfacht, weil nicht jedes Mal eine Rechtekette nachgewiesen werden müsse. Ist das eine überzeugende Legitimation für ein Leistungsschutzrecht?

Wenn es nur um Frage geht, wie ein solcher Anspruch logisch nachgewiesen wird, dann würde die Schaffung eines neuen Rechtsanspruchs in dieser Form über das Ziel hinaus schießen. Das könnte man auch sehr viel einfacher regeln, etwa mit Verfahrensregelungen oder mit einem Präzedenzfall.

Was haben die Autoren von einem Leistungsschutzrecht?

Die Autoren haben von dem Leistungsschutzrecht zunächst mal sehr wenig – es sei denn, wenn sie im Eigenverlag publizieren. Autoren profitieren ansonsten höchstens mittelbar, wenn ein Verlag die Erlöse aus dem Leistungsschutzrecht mit ihnen teilt. Ob das allerdings das Geschäftsmodell der Verlage ist, darf bezweifelt werden.

Haben Sie noch etwas auf dem Herzen, was sie unbedingt mal sagen wollten zum Leistungsschutzrecht?

Ja. Wir reden ja nicht nur mit Herrn Keese, sondern auch noch mit ein paar anderen Leuten, etwa von der WAZ-Gruppe. Und ich beobachte mit Erschrecken, wie viel Energie die Verlage in eine Defensivstrategie stecken, bei der es nur darum geht, alte Geschäftsmodelle zu verteidigen. Ich würde den Verlagen raten, ihre ganze Energie in eine Offensivstrategie zu packen. Sie müssen die neuen Möglichkeiten des Internets sich zu Nutze machen und so neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Mit ihrer Defensivstrategie werden die Verlage sich und ihre alten Geschäftsmodelle vielleicht noch über ein paar Jahre retten, indem sie Erlösdefizite mit irgendwelchen Gebühren für eine gewisse Zeit ausgleichen. Aber ein Leistungsschutzrecht und die daraus eventuell ableitbaren Abgabenzahlungen werden die Verlage nie von der Pflicht befreien können, neue Geschäftsmodelle für das Internet zu entwickeln.

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