Pro Die Nutzungs- und Kommunikationsfreiheit wird durch das Zitatrecht gewährleistet
Contra Das Zitatrecht kompensiert die Ausweitung des Schutzes auf Wortschnipsel (Snippets) nicht
Die Kommunikationsfreiheit bleibt durch die Zitierfreiheit gewährleistet. Das urheberrechtliche Zitatrecht soll in vollem Umfang auch für das Leistungsschutzrecht gelten (Schweizer, BDZV und VDZ).
Die Verlage wollen mit dem Leistungsschutzrecht unter anderem erreichen, dass kurze Textausschnitte (Snippets), wie sie vor allem in den Suchmaschinen angezeigt werden, geschützt sind. Bislang sind sie gemeinfrei, weil sie – mangels Schöpfungshöhe – nicht unter das Urheberrecht fallen. Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Paperboy-Urteil entschieden. Im Ergebnis heißt das, dass hiermit jeder „machen kann, was er will”. Weder müssen für Überschriften, einzelne Sätze oder gar Wörter, Vergütungen bezahlt werden, wenn sie ein anderer nutzen will, noch braucht man dafür eine Erlaubnis.
Das Zitatrecht hat damit nichts zu tun. Es wird erst relevant, wenn der übernommene Satz oder Abschnitt für sich genommen einen urheberrechtlich geschützten Werkteil darstellt.
Es ist ein gravierender Unterschied, ob ein Textausschnitt gemeinfrei ist oder nur nach dem Zitatrecht genutzt werden kann. Denn das Zitatrecht ist eine Ausnahme vom Schutzrecht, eine Schrankenbestimmung, die enge Regeln aufstellt. Werden diese Regeln nicht eingehalten, ist die Übernahme eines Textausschnittes (sofern er als solcher geschützt ist) eine (Urheber-)Rechtsverletzung.
So sind Zitate nur in eigenen Werken erlaubt. Es muss ein innerer Zusammenhang zwischen dem Zitat und dem vorhanden sein, was man selbst geschaffen hat. Dabei muss sich der Zusammenhang immer auf das zitierte Schutzgut selbst beziehen. Zitiert man etwa ein Foto von einem Baum, muss das Zitat dazu dienen, sich mit dem Foto auseinanderzusetzen, nicht mit dem Baum. Zitate dürfen einen angemessenen Umfang nicht überschreiten, sie sind immer nur unterstützendes Beiwerk für die Hauptsache, also das eigene Werk. Das Zitierte darf nicht verändert werden und die Quelle ist anzugeben. Schließlich ist das Zitatrecht als urheberrechtliche Ausnahmevorschrift grundsätzlich eng auszulegen.
Dies sollte veranschaulichen, dass das Zitatrecht nur für bestimmte Zwecke der Auseinandersetzung mit fremden Geisteserzeugnissen konzipiert und gedacht ist. Es ist ein kompliziertes und in Zweifelsfällen schwer handhabbares Instrument. Die Nutzung nach dem Zitatrecht ist also keineswegs vergleichbar mit der Nutzung gemeinfreier Inhalte. Dementsprechend macht es einen erheblichen und grundlegenden Unterschied, ob Snippets gemeinfrei sind oder durch ein Leistungsschutzrecht geschützt werden.
Würden sie durch ein neues Leistungsschutzrecht geschützt, wäre eine erhebliche Beschränkung der bisherigen sprachlichen public domain die Folge. Viele kurze Formulierungen dürften dann – unabhängig davon, ob sie ganz banal, allgemein üblich oder besonders kreativ sind – nicht mehr „ohne weiteres” verwendet werden, sondern eben nur noch nach dem komplizierten Zitatrecht.
Dies würde sich gerade auf die Kommunikation und Information über das Internet erheblich auswirken. Viele dort übliche Nutzungen, die im allgemeinen Sprachgebrauch häufig als Zitate bezeichnet werden, fallen gerade nicht unter das Zitatrecht.
Das gilt zunächst für Suchmaschineneinträge. Sie setzen sich mit den Inhalten, auf die sie verweisen, nicht auseinander und stellen auch keine selbständigen Werke dar. Auch reine Inhaltsmitteilungen unter Verwendung von Textausschnitten (Blog-Beiträge, Presseschauen usw.) sind keine Zitate. Werden in einer Presseschau also unter der Überschrift: „Spiegel Online berichtet über die Verfassungsmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung” drei Sätze aus dem entsprechenden SPON-Artikel wiedergegeben, ist das nach heutigem Recht nur erlaubt, weil die drei Sätze nicht geschützt sind. Da es sich aber nicht um ein Zitat handelt, wäre diese – im Internet völlig übliche – Methode unter dem neuen Leistungsschutzrecht zustimmungs- und vergütungspflichtig. Gleiches würde für kommentierte Links gelten, denen einige Worte oder Sätze aus der Originalquelle hinzugefügt werden und für viele, heutzutage wegen der Gemeinfreiheit legale weitere Kommunikations- und Informationspraktiken auch.
Schließlich ist das Zitatrecht natürlich auch dann nicht anwendbar, wenn jemand „versehentlich” dieselbe Überschrift oder zufällig einige identische Sätze für seine Publikation verwendet, die schon irgendwo anders erschienen sind. Dass so etwas ohne weiteres erlaubt ist, ist elementar, um sich in der Sprache frei bewegen zu können und daher elementare Grundlage für alle Kommunikationsfreiheiten (wie die Meinungs-, Presse- oder Wissenschaftsfreiheit). Die Freiheit wird aber nur dann gewährleistet, wenn kurze Wortfolgen gemeinfrei sind. Das Zitatrecht kann diese Funktion nicht erfüllen.
Diese Lizenz gilt nicht für externe Inhalte, auf die Bezug genommen wird.
Weitere Informationen
- BDZV, Diskussion um Leistungsschutzrecht versachlichen! Zeitungs- und Zeitschriftenverleger kritisieren Google, Pressemitteilung vom 15.10.2010
- Joerg Heidrich, Kulturkampf Streit um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage, c't 17/2010
- Live: Anhörung zum Leistungsschutzrecht, netzpolitik.org vom 28.6.2010
- Till Kreutzer, Vorhang zu und alle Fragen offen: Replik auf Robert Schweizers Verteidigung des Leistungsschutzrechts, Carta vom 23.11.2009
- Till Kreutzer, Leistungsschutzrecht für Verlage: Mehr Schaden als Nutzen, Carta vom 29.9.2009
- Kreutzer/Spielkamp/Otto, Entwurf für das Leistungsschutzrecht für Presseverleger: “Nie dagewesene Rechtsverwirrung”, Carta.info vom 7.5.2010
- Helmut Hartung, Burda-Vorstand zum Leistungsschutzrecht: Die “gesetzliche Einführung von Paid Content”, Carta vom 5.8.2010