Öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss

Am 5. März 2015 - 23:05 Uhr von Tom Hirche

Gestern fand die zweite öffentliche Anhörung zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Ausschuss für Justiz und Verbraucherschutz des Bundestages statt. Grund war der Gesetzentwurf der Oppositionsfraktionen, der eine vollständige Streichung dieses Leistungsschutzrechtes vorsieht. Netzpolitik.org hat live aus der Anhörung gebloggt, wir haben getwittert. Im Folgenden gibt es eine kurze Zusammenfassung der ausgetauschten Argumente.

Sachverständige

Die schriftlichen Stellungnahmen der geladenen Sachverständigen findet man hier. Erschienen sind:

  • Dr. Sebastian Doedens, Hubert Burda Media Holding KG, Head of Public Affairs
  • Prof. Dr. Felix Hey, Verlag Dr. Otto Schmidt KG, geschäftsführender Gesellschafter
  • Prof. Dr. Eva Inés Obergfell, Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung
  • Philipp Otto, iRights.info, Redaktionsleiter und Gründer Verlag iRights.Media
  • Prof. Dr. Gerald Spindler, Georg-August-Universität Göttingen, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Rechtsvergleichung, Multimedia- und Telekommunikationsrecht
  • Thomas Stadler, Rechtsanwalt und Inhaber des Blogs internet-law.de
  • Prof. Dr. Malte Stieper, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Gundling-Professur für Bürgerliches Recht, Recht des geistigen Eigentums und Wettbewerbsrecht (GRUR-Stiftungsprofessur)

„Abschaffung wäre verfrüht“

Zu den anwesenden Befürwortern des Leistungsschutzrechtes gehörte Herr Dr. Doedens. Das Leistungsschutzrecht sei für ihn kein Sonderrecht, sondern schaffe nur die notwendige Gleichbehandlung für eine „faire Medienordnung“.

Nach Ansicht von Prof. Dr. Eva Inés Obergfell füge sich das Leistungsschutzrecht für Presseverleger “konsequent in die anderen Leistungsschutzrechte ein“. Systemkonform wäre gar ein allgemeines Verlegerleistungsschutzrecht.

Daran anknüpfend betonte Prof. Dr. Hey die Schwierigkeiten für Presseverlage, online Geld verdienen zu können. Eine Möglichkeit sehe er in einer Bezahlschranke (sogenannte „Pay-Wall“). Diese hätte jedoch den erheblichen Nachteil, dass die dahinter liegenden Seiten von Suchmaschinen nicht mehr gefunden würden. Dies könnten sich jedoch nur die wenigsten leisten. Folglich müsse das Problem gelöst werden, wie frei verfügbare Verlagsangebote finanziert werden könnten. Diesem Problem habe sich der Gesetzgeber mit dem Leistungsschutzrecht angenommen. Schließlich müsse der „Qualitätsjournalismus“ geschützt werden.

Verfassungsrechtliche oder europarechtliche Bedenken seien für Hey unbegründet. Die Bedenken hinsichtlich eines Verstoßes gegen die Meinungsfreiheit hätten sich laut Obergfell nicht bewahrheitet. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und deren Auslegung durch Gerichte seien nicht ungewöhnlich und schade auch nicht dem Ansehen des Rechtsstaats. Der Schutzgegenstand „Presseerzeugnis“ lasse sich zum Beispiel mit „hinreichender Genauigkeit“ bestimmen.

Eine Abschaffung des Gesetzes zum jetzigen Zeitpunkt hielten alle drei Befürworter für verfrüht. Es sollte vorher noch die Entscheidung der Schiedsstelle, eine mögliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sowie die Evaluation durch die Bundesregierung abgewartet werden.

„Abschaffung ist überfällig“

Ganz gegenteiliger Meinung waren da die anderen Sachverständigen. Philipp Otto forderte gleich zu Beginn seines Statements, das Leistungsschutzrecht sofort abzuschaffen. Zwar betonte auch er, dass die Arbeit mit unbestimmten Rechtsbegriffen unumgänglich sei. Allerdings würde es zehn Jahre dauern, bis eine letztinstanzliche Klärung vorliege. Bis dahin und wohl auch noch darüber hinaus werde kein einziger Cent an die Verlage aus diesem Leistungsschutzrecht geflossen sein. In der Zwischenzeit würde niemand eine Suchmaschine oder ein ähnliches Start-Up gründen. Die Gefahr, abgemahnt oder in teure Gerichtsprozesse verwickelt zu werden, sei schlichtweg zu groß. Die Monopolstellung Googles werde damit nur zementiert.

Dem schloss sich Prof. Dr. Spindler an und verwies auf die Feststellungen des Branchenverbandes BITKOM, wonach bereits elf Start-Ups aufgegeben bzw. ihren Sitz ins Ausland verlegt hätten. Damit widerlegte er auch gleichzeitig die Aussage Doedens, dass das Leistungsschutzrecht nicht innovationsfeindlich sei.

Das Vorhaben, Google kartellrechtlich zum Listing und gleichzeitig zur Zahlung an die Verlage zu verpflichten, bezeichnete Spindler als Quadratur des Kreises. Abgesehen davon, so Otto, würde Google in einem solchen Fall wohl seinen News-Aggregator wie in Spanien dann auch in Deutschland einfach schließen.

Und während Google nichts zahle, so Thomas Stadler, würde bei kleineren Suchanbietern versucht, das Leistungsschutzrecht durchzusetzen. Abgesehen davon sei die Tarifregelung der Verwertungsgesellschaft Media ohnehin rechtswidrig, da diese nicht mehr die Ausnahme hinsichtlich „einzelner Wörter und kleinster Textausschnitte“ enthalte.

Nach Meinung von Prof. Dr. Malte Stieper hätte das Leistungsschutzrecht für Presseverleger gar nicht erst verabschiedet werden dürfen und gehöre deswegen sofort abgeschafft. Dieses Gesetz könne nicht sinnvoll juristisch ausgelegt werden („unkommentierbar“). So sei schon gar nicht bestimmbar, ab welchem konkreten Zeitpunkt die einjährige Schutzfrist beginne. Ferner sei der Schutzzweck nicht klar. Geschützt werde die Bündelung verschiedener Artikel durch den Presseverleger. Diese Bündelung würde ein News-Aggregator allerdings gar nicht verwerten, sondern nur das Onlinestellen durch den Presseverleger. Sei dies schon eine schützenswerte Leistung? Dass sich Menschen nur noch mit Snippets zufrieden geben, anstatt den gesamten Artikel zu lesen, sei ein gesellschaftliches Problem. Eine Evaluation müsse somit nicht mehr abgewartet werden. Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger sei sofort abzuschaffen.

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