EU-Institutionen einigen sich auf finalen Text von Artikel 11

Am 14. Februar 2019 - 15:31 Uhr von Tom Hirche

Gestern Nacht wurden die Trilog-Verhandlungen zur geplanten EU-Urheberrechtsreform abgeschlossen. Herausgekommen ist dabei unter anderem ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger, das große Ähnlichkeit zur deutschen Regelung hat, aber noch größeren Schaden anrichten wird. Noch kann dies verhindert werden!

In Deutschland grandios gescheitert

In Deutschland gibt es bereits seit 2013 ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Letztere sollen von Betreibern von Suchmaschinen und Nachrichtenaggregatoren Geld verlangen können, wenn diese Ausschnitte ihrer Presseveröffentlichung verwenden.

In der Praxis ist der erhoffte Geldregen – wie vorhergesagt – ausgeblieben. Viele Betreiber der betroffenen Dienste können es sich schlicht nicht leisten, für das Anzeigen der Ausschnitte zu zahlen. Sie haben die Anzeige daher entweder stark beschnitten oder den Dienst gleich komplett eingestellt.

Anstatt Geld zu verdienen, haben die Verleger bereits Millionenbeträge für teure Gerichtsverfahren ausgegeben. Denn ein weiteres Problem ist die immense Rechtsunsicherheit, die von der Regelung ausgeht. Danach sollen „einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte“ vergütungsfrei bleiben. Was darunter zu verstehen ist, kann allerdings bis heute niemand sagen.

Politik für wenige große Verlage

Die überwältigende Mehrheit der Urheberrechtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler hat sich gegen ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger ausgesprochen. Wirtschaftsverbände und Journalistengewerkschaften haben es ihnen gleichgetan. Zahlreiche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass ein solches Leistungsschutzrecht schädlich ist. Und längst nicht alle Verlage wünschen sich dieses Recht.

Dass man sich nun trotzdem in Form von Artikel 11 auf eine Regelung geeinigt hat, die noch furchtbarer ist als die deutsche, ist daher schlicht unbegreiflich.

Worauf hat man sich geeinigt?

Wie in Deutschland sollen mit Artikel 11 nun alle Presseverlage in der EU die Möglichkeit erhalten, für das (ausschnittsweise) Anzeigen ihrer Veröffentlichungen Geld zu verlangen. Allerdings ist der Kreis der davon Betroffenen nicht auf Betreiber von Suchmaschinen und Nachrichtenaggregatoren beschränkt. Vielmehr werden sämtliche Betreiber von Webseiten, Apps etc. erfasst.

Lediglich die private oder nicht-kommerzielle Nutzung von Presseveröffentlichungen durch einzelne Nutzer soll ausgenommen sein. Eine solche Einschränkung ist zwar in der Sache erforderlich. Doch stellen sich hier aufgrund der konkreten Umsetzung einige dringende Fragen, zum Beispiel: Handele ich privat, wenn ich den Auszug einer Presseveröffentlichung frei zugänglich auf meinem Blog oder meinem Profil einer Social-Media-Plattform veröffentliche? Was ist, wenn auf der Seite Werbung eingeblendet wird oder wenn der Zugang kostenpflichtig ist? Fallen auch Unternehmen oder mehrere Personen unter den Begriff des einzelnen Nutzers?

Der aktuelle Richtlinientext liefert darauf keine klaren Antworten. Diese Rechtsunsicherheit wird die Art, wie Informationen geteilt werden und wie wir miteinander kommunizieren, nachhaltig beeinträchtigen. Aus Angst vor rechtlichen Folgen und einer Zahlungsaufforderung wird die Auseinandersetzung mit Presseveröffentlichungen zurückgehen. Das gleiche gilt für den Einsatz von Snippets, also jener kurzen Auszüge, die uns täglich dabei helfen, den Inhalt eines verlinkten Artikels abzuschätzen.

Verhindern wird dies auch nicht die aufgenommene Ausnahme für einzelne Wörter und sehr kurze Textausschnitte. Denn wie bei der Regelung in Deutschland fehlt auch hier jegliche Form der Klarstellung. Dürfen Überschriften vollständig wiedergegeben werden, ohne lizenzpflichtig zu werden? Darf ich den Link posten, wenn dieser bereits die vollständige Überschrift enthält? Wie lang dürfen Snippets sein?

Am Ende werden in der gesamten EU kostenintensive Gerichtsverfahren geführt, um irgendwann in ferner Zukunft einmal zu wissen, was noch lizenzfrei erlaubt ist. Sobald dies feststeht, werden alle Online-Angebote so angepasst, dass für sie keine Zahlungspflicht besteht. Bis dahin werden sie sicherheitshalber zu stark beschnitten als zu wenig.

Wem damit geholfen sein soll, bleibt offen. Schlechtere Sichtbarkeit von Presseartikeln im Internet führt zwangsläufig zu weniger Klicks für die Verlage und damit zu weniger Einnahmen. Ein Bärendienst für die Presselandschaft.

Noch ist es nicht zu spät!

Als nächstes müssen die Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat und die Mitglieder des Europäischen Parlaments dem finalen Richtlinientext zustimmen. Erst danach kann die Richtlinie in Kraft treten.

Die beste Möglichkeit, dies noch zu verhindern bzw. Artikel 11 (und Artikel 13) zu streichen, ist die große Schlussabstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments in ein paar Wochen. Nachdem sich hier schon einmal eine Mehrheit gegen die Urheberrechtsreform gebildet hat, ist deren Ausgang völlig offen. Hier ist jede Hilfe gefragt!

Über www.saveyourinternet.eu/act/ erfahrt ihr das Abstimmungsverhalten eurer MdEPs und könnt sie direkt kontaktieren. Nur wenige Wochen nach der Abstimmung über die Richtlinie wird die Wahl zum Europaparlament stattfinden, bei der sich die meisten Abgeordnetinnen und Abgeordneten wiederwählen lassen wollen. Macht ihnen klar, wie wichtig euch ein freies Internet und ein ungestörter Informationsaustausch ist.
 

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