Justizministerium präsentiert ersten Entwurf für neues Presseleistungsschutzrecht

Am 17. Januar 2020 - 11:44 Uhr von Tom Hirche

Bis zum 7. Juni 2021 hat die Bundesregierung Zeit, die neue EU-Richtlinie zum Urheberrecht umzusetzen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat jetzt einen ersten „Diskussionsentwurf“ veröffentlicht.

Kein vollständiger Entwurf

Dabei handelt es sich allerdings nicht um einen Vorschlag für die vollständige Umsetzung der Richtlinie. Vielmehr geht es hauptsächlich um die Artikel 15 und 16, die Vorgaben für ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger sowie für die Beteiligung von Verlagen an gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheberinnen und Urheber enthalten.

Das BMJV sieht deren Umsetzung als besonders dringlich“ an und will sie deshalb vorziehen. Dies ist als Geschenk an die Verlegerbranche zu verstehen. Im September 2019 hatte der EuGH das deutsche Leistungsschutzrecht für Presseverleger für unanwendbar erklärt. Infolge einer weiteren Entscheidung des EuGH, dem Reprobel-Urteil“ von November 2015, urteilte der BGH wenige Monate später, dass Verlage an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen der Urheberinnen und Urheber nicht pauschal beteiligt werden dürfen.

Neuregelung statt Anpassung

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger soll dem Diskussionsentwurf nach neu geregelt werden und sich künftig über die §§ 87f bis 87k UrhG-E erstrecken. Als zentrale Regelung kann wohl § 87g UrhG-E bezeichnet werden, der den Schutzbereich des „neuen“ Leistungsschutzrechts wie folgt definiert:

§ 87g

Rechte des Presseverlegers

(1) Ein Presseverleger hat das ausschließliche Recht, seine Presseveröffentlichung im Ganzen oder in Teilen für die Online-Nutzung durch Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft öffentlich zugänglich zu machen und hierzu zu vervielfältigen.

(2) Die Rechte des Presseverlegers umfassen nicht

1. die private oder nicht kommerzielle Nutzung einer Presseveröffentlichung durch einzelne Nutzer,

2. das Setzen von Hyperlinks auf eine Presseveröffentlichung und

3. die Nutzung einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge einer Presseveröffentlichung.

(3) Einzelne Wörter oder sehr kurze Auszüge eines Beitrags in einer Presseveröffentlichung können insbesondere umfassen

1. die Überschrift,

2. ein kleinformatiges Vorschaubild mit einer Auflösung von bis zu 128 mal 128 Pixeln und

3. eine Tonfolge, Bildfolge oder Bild- und Tonfolge mit einer Dauer von bis zu drei Sekunden.

(4) Die Rechte des Presseverlegers sind übertragbar. Die §§ 31 und 33 gelten entsprechend.

Hilfreiche Klarstellungen

Die Absätze 1 und 2 sehen eine nahezu wortlautgetreue Umsetzung vor der Richtlinienvorgaben vor. Begrüßenswert ist, dass in Absatz 3 darüber hinausgegangen wird. Darin soll klargestellt werden, was unter der Ausnahme für einzelne Wörter oder sehr kurze Auszüge“ zu verstehen ist.

Dies war bei der alten deutschen Regelung noch offengelassen worden und daher völlig unklar. Der Rechtssicherheit wird die Klarstellung daher zuträglich sein. Dabei ist die Aufzählung nicht abschließend (insbesondere“), sondern benennt nur, was in der Regel vergütungsfrei zulässig ist.

Von einer konkreten Wort- oder Zeichenvorgabe für Snippets, wie von einigen gefordert, scheint man bewusst abgesehen zu haben. Diese Frage würde nach aktuellem Stand also weiterhin die Gerichte – letztlich den EuGH – beschäftigen. Doch gerade die Klarstellung, dass Überschriften nicht unter das Presseleistungsschutzrecht fallen, ist hilfreich und würde ein großes Streitthema beseitigen. Zudem wäre damit klargestellt, dass die gesamte URL als Hyperlink verwendet werden darf, auch wenn darin die Überschrift enthalten ist.

Ob eine 3-sekündige Video- oder Tonsequenz oder ein Vorschaubild von 128 mal 128 Pixeln zeitgemäß, geschweige denn zukunftsgerichtet ist, muss bezweifelt werden. Eine Erweiterung ist daher geboten. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Vorschaubilder bei Google News aktuell 125 mal 125 Pixel groß sind. Vor allem aber stellt der Erwägungsgrund 58 der Richtlinie klar, dass die Wirksamkeit des Leistungsschutzrechts durch die Ausnahme für einzelne Wörter oder sehr kurze Auszüge“ nicht beeinträchtigt werden dürfe.

Ausdrücklich im Gesetz werden daher nur solche Fälle stehen, bei denen dies (nach Ansicht des Gesetzgebers) nie der Fall ist. Die unterste Grenze also. Um diese zu bestimmen, ist die Aufzählung sehr hilfreich. Weil die Richtlinie selbst keine konkreten Vorgaben macht, wird eine weitere Klärung dessen, was darüber hinaus zulässig ist, jedoch erst durch die Gerichte erfolgen. 

Positiv anzumerken ist, dass das BMJV ausweislich der Gesetzesbegründung (S. 33) erkennt, dass die meisten Nutzungen von Presseveröffentlichungen automatisiert erfolgen. Die drei konkret benannten Ausnahmefälle sind daher so gewählt, dass sie sich problemlos in Algorithmen gießen lassen.

Viele Hinweise aufgenommen

Auch an anderen Stellen wurden die Anmerkungen berücksichtigt, die im Rahmen der öffentlichen Konsultation beim BMJV eingegangen sind. So sollen nach dem Wortlaut von Artikel 15 Absatz 5 der Richtlinie eigentlich nur die Urheberinnen und Urheber, deren Werke in einer Presseveröffentlichung enthalten sind, einen Beteiligungsanspruch an den Einnahmen erhalten. Warum dies bspw. nicht auch für Fotografinnen oder Fotografen von Pressefotos gelten soll, die meist nur ein Leistungsschutzrecht an ihren Aufnahmen haben, leuchtet jedoch nicht ein. Deshalb sieht § 87k UrhG-E ausdrücklich vor, dass auch den Inhaberinnen und Inhabern verwandter Schutzrechte (Leistungsschutzrechte) der Beteiligungsanspruch zustehen soll.

Leider nicht in den Gesetzestext, aber zumindest in die Begründung (S. 35) wurde der klarstellende Hinweis aufgenommen, dass die Vorschaubilder-Rechtsprechung des BGH auf Presseveröffentlichungen anwendbar ist. Damit wird die Symbiose zwischen Angeboten von Presseverlegern und Suchmaschinen bzw. Nachrichtenaggregatoren anerkannt. Bei der Frage, wie weit eine erlaubnis- und damit lizenzfreie Nutzung reicht, wird daher zu berücksichtigen sein, inwieweit Suchmaschinen-Optimierung betrieben wird.

Darüber hinaus sind weitere Klarstellungen erforderlich. So ist nach wie vor unklar, ob die Laufzeit des Leistungsschutzrechts durch die (minimale) Überarbeitung einer Presseveröffentlichung oder die veränderungsfreie Neuveröffentlichung von vorne beginnt. Ebenso offen ist weiterhin, wann eine Nutzung privat oder nicht kommerziell erfolgt. Und auch hinsichtlich der Verwendung von Hyperlinks sind noch nicht alle Fragen beantwortet.

Ein schlechtes Gesetz ist ein schlechtes Gesetz ist ein schlechtes Gesetz

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger basiert auf falschen Annahmen, wird die Situation der Presseverlage nicht verbessern, sondern weiter verschlimmern, und weitreichende Kollateralschäden anrichten. Darauf wurde über die letzten Jahre von unzähligen Expertinnen und Experten immer wieder fundiert hingewiesen. In Spanien und Deutschland wurden die Auswirkungen bereits in der Praxis nachgewiesen. 

Gleichwohl ist der deutsche Gesetzgeber verpflichtet, die Vorgaben der Richtlinie umzusetzen. Solange diese nicht überarbeitet werden, wird es ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger geben. Das Ziel muss und kann es daher aktuell nur sein, die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten – im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben.

Interessant ist, dass das BMJV die Umsetzung des Leistungsschutzrechts für notifizierungspflichtig hält (S. 13). Eine unterlassene Notifizierung bei der EU-Koommission war der Grund dafür, dass der EuGH das deutsche Presseleistungsschutzrecht für unanwendbar erklärt hatte. Offensichtlich möchte man vermeiden, denselben Fehler zweimal zu begehen. Ob hier aber tatsächlich notifiziert werden muss, ist fraglich. Schaden würde es jedenfalls nicht. Die französische Regierung sah sie nicht für erforderlich an. 

Weitere Konsultationsrunde

Dass es sich um einen Diskussionsentwurf handelt, ist ernst zu nehmen. Eine Abstimmung mit anderen Ministerien hat noch nicht stattgefunden. Mit Veränderungen muss deshalb gerechnet werden. Zunächst besteht bis zum 31. Januar 2020 die Möglichkeit, zum aktuellen Entwurf gegenüber dem BMJV Stellung zu nehmen. Weitere Informationen dazu gibt es hier.

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