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Presseverlage wollen Nutzerrechte weiter einschränken
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat vergangene Woche ihren zweiten Entwurf zur Umsetzung der DSM-Richtlinie in deutsches Recht offiziell veröffentlicht. Die Presseverlage lobbyieren nun einmal mehr für die weitere Einschränkung von Nutzerrrechten.
Der Gesetzentwurf hält nicht nur Vorgaben für ein (neues) Leistungsschutzrecht für Presseverleger bereit, sondern mit dem ebenfalls enthaltenen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (kurz: UrhDaG) einen gänzlich neuen Regelungskanon. Darin enthalten ist die Pflicht von Plattformbetreibern, die es ihren Nutzern erlauben, Inhalte hochzuladen, "bestmögliche Anstrengungen zu unternehmen", um bereits vorab Lizenzen für diese Inhalte zu erwerben.
Selbstverständlich existieren Ausnahmen von dieser Pflicht, beispielsweise für Zitate, Karikaturen und Pastiches. Eine weitere Ausnahme (Paragraph 6) sieht vor, dass Nutzer bis zu 1.000 Zeichen eines Textes oder ein Foto mit einer Dateigröße bis zu 250 Kilobyte auf der Plattform veröffentlichen dürfen; der Betreiber hat dafür eine angemessene Vergütung an den Rechteinhaber des Textes zu zahlen.
Gegen diese Bagatell-Ausnahme zugunsten der Nutzer wenden sich nun lautstark die Presseverlage. Anja Pasquay, Sprecherin des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) kritisierte im Medienmagazin von radioeins vom 17.10.2020 (ab 00:08:25), dass 1.000 Zeichen "oft einem halben oder sogar einem ganzen Presseartikel" entspreche, der ohne Erlaubnis des Verlags von den Nutzern hochgeladen werden dürfte. Es handele sich um einen "Freibrief zur Ausbeutung der freien Presse". Wie das trotz gesetzlichen Vergütungsanspruchs der Fall sein soll, bleibt natürlich offen.
Diese Aussage reiht sich nahtlos in die lange Liste bewusster Falschbehauptungen auf Seiten der Presseverleger, mit denen seit Jahren versucht wird, den Gesetzgebungsprozess sowohl auf EU-Ebene als auch in Deutschland zu beeinflussen. Eine Richtigstellung erfolgt – wie schon so oft – durch Julia Reda, ehemalige Abgeordnete des Europäischen Parlaments und jetzt im Vorstand der Open Knowledge Foundation Deutschland, direkt im Anschluss (ab 00:09:22).
Sie verweist auf den weiteren Wortlaut des Gesetzentwurfs, wonach diese Bagatell-Ausnahme für 1.000 Zeichen nur gelten soll, "wenn keine Lizenz vorliegt.". Doch genau dazu sind die Plattformen verpflichtet: Sie haben "sich um Lizenzen zu bemühen und faire Lizenzangebote auch anzunehmen."
Für welchen Fall gilt also die Bagatell-Ausnahme? Julia Reda liefert die Antwort:
Das einzige Szenario, in dem diese Aussage zum Tragen kommt, ist, wenn die Presseverlage eine faire Lizenz verweigern. Insofern geht es bei dieser Frage nicht um die Bezahlung, sondern darum, dass möglicherweise die Presseverlage bestimmte Arten von Plattformen überhaupt nicht [als Lizenznehmer] haben wollen.
Ohne diese Ausnahme wären viele alltägliche Nutzungshandlungen im Internet, die das Geschäftsmodell der Presseverlage nicht gefährden, sondern es durch Erhöhen der Reichweite noch fördern, bald nicht mehr möglich.
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