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Beschluss des Bundeskartellamts im Volltext verfügbar
Das Bundeskartellamt hatte der Verwertungsgesellschaft (VG) Media am 8. September eine weitere Abfuhr erteilt, ein Kartellverfahren gegen Google wurde nicht eingeleitet. Nun ist die Begründung des Bundeskartellamts im Volltext verfügbar. Die wichtigsten Passagen wollen wir hier kurz zusammenfassen. Die Lektüre des gesamten Textes ist jedoch nicht nur hinsichtlich der konkreten Beschwerde sondern auch des Leistungsschutzrechts für Presseverleger allgemein sehr aufschlussreich. Die Begründung des Amts fällt sehr umfangreich und sehr gut nachvollziehbar aus.
In den Rz. 1-43 werden umfassend die Funktionsweise der Google Suche und speziell von Google News, die Steuerungsmöglichkeiten der Webseitenbetreiber mittels robots.txt sowie die Bedeutung von Suchmaschinen und konkret der Google Suche für die Allgemeinheit sowie für Presseverlage dargestellt. So findet sich etwa bei Rz. 36 eine Tabelle, in der die verschiedenen Zugriffswege auf Webseiten von Presseverlagen nach ihrem prozentualen Anteil für das jeweilige Angebot aufgelistet sind. Die Daten dazu stammen vom Dienst SimilarWeb.
Im folgenden Abschnitt (Rz. 44-63) werden chronologisch verschiedene Forderungen an und Beschwerden gegen Suchmaschinenbetreiber wiedergegeben. Dazu geht der Text unter anderem auf verschiedene Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ein, die einen sachlichen Zusammenhang zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger aufweisen. Bei den wiedergegebenen Entscheidungen handelt es sich um Paperboy, Metall auf Metall I sowie Vorschaubilder I und Vorschaubilder II.
Ab Rz. 64 setzt sich die Begründung konkret mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger zusammen und stellt dazu dessen Entstehungsgeschichte dar. In den Rz. 66-68 wird noch einmal die umfassende Kritik an diesem Leistungsschutzrecht zusammengefasst. Nach der Wiedergabe des Gesetzestexts wird der Inhalts des Rechts kurz zusammengefasst (bspw. keine generelle Zahlungspflicht für Suchmaschinenbetreiber), wobei das Bundeskartellamt (zu Recht) feststellt, dass der Anwendungsbereich recht unklar sei (Rz. 74). Ferner wird auf das offene Problem der Ausnahme hinsichtlich "einzelner Wörter und kleinster Textausschnitte" hingewiesen (Rz. 75).
Im Anschluss werden ab Rz. 77 die Geschehnisse seit Inkrafttreten des Gesetzes aufgezeigt; vom Verlangen einer Bestätigungserklärung (Opt-In erster Stufe) durch Google (Rz. 77f.), dem gesellschaftlichen Beitritt von 12 Verlagen zur VG Media (Rz. 79f.), der Aufforderung der VG Media zum Abschluss eines Lizenzvertrags durch Google (Rz. 81), der ersten (erfolglosen) Beschwerde der VG Media beim Bundeskartellamt vom Mai 2014 wegen Missbrauchs der Marktmacht durch Google (Rz. 82-85), dem Antrag der VG Media auf Einleitung eines Verfahrens vor der Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts (Rz. 86-91), dem Verlangen einer erweiterten Bestätigungserklärung (Opt-In zweiter Stufe) durch Google nur von den von der VG Media vertretenen Verlagen (Rz. 92-101), der Einleitung eines aufsichtsrechtlichen Verfahrens gegen die VG Media durch das Deutsche Patent- und Markenamt (Rz. 103) bis hin zum zweiten Verfahren vor dem Bundeskartellamt (Rz. 104f., 112).
Anschließend erfolgt die Bewertung von Googles Vorgehen nach Kartellrecht, wobei die eigentliche Missbrauchsprüfung bei Rz. 168 beginnt. Das Ergebnis lautet:
Auch bei Zugrundelegung einer marktbeherrschenden Stellung Googles stellt nach Auffassung der Beschlussabteilung schließlich die verkürzte Darstellung von Treffern auf Webseiten (nur) jener Presseverleger, welche die VG Media mit der Wahrnehmung ihrer Rechte aus § 87f UrhG beauftragt haben, aber die von Google gewünschte Opt-In-Erklärung zweiter Stufe nicht abgegeben haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit keine kartellrechtswidrige Behinderung oder Ungleichbehandlung dar.
Im Folgenden wird dieses Ergebnis umfassend begründet (Rz. 169-227). Insbesondere ist auf Rz. 196 hinzuweisen, wo das Bundeskartellamt ausdrücklich feststellt, dass das Leistungsschutzrecht kein Verbotsrecht sei und den Verlagen somit auch keinen Zahlungsanspruch gewähren könne:
Mit dem Verbotsrecht nach § 87f Abs. 1 UrhG haben die Verlage [...] vom Gesetzgeber lediglich ein Instrument erhalten, dass sie versuchen können, am Markt zu monetarisieren. Das Recht gibt ihnen jedoch keine Gewähr, dass dieser Versuch auch erfolgreich ist. Insofern kann es aus kartellrechtlicher Sicht auch kein berechtigtes Interesse der Verlage daran geben, dass Google ihnen nicht die Möglichkeit des unentgeltlichen Opt-Ins zweiter Stufe anbietet, zumal die Handlungsmöglichkeiten des einzelnen Verlags damit erst einmal nur erweitert werden.
Das zentrale Argument, weswegen Googles Reaktion angemessen war, findet sich in Rz. 198 (Hervorhebung nicht im Originaltext):
An dem Geschäftsmodell Suchmaschine besteht auch ein Interesse der Allgemeinheit. Angesichts der Milliarden an vorhandenen Webseiten ist eine Möglichkeit zum Auffinden einzelner Seiten von hoher Bedeutung dafür, dass jeder Nutzer sich die vorhandenen Informationen erschließen und das in der Geschichte bisher einmalige Wissenspotential des Internet [sic] für sich nutzen kann. Eine bessere Methodik als eine Suchmaschine zur breiten Erschließung dieses Wissenspotentials hat die Entwicklung nach Kenntnis der Beschlussabteilung bisher nicht hervorgebracht. Würde das Konzept der universalen Verlinkbarkeit - zu dem notwendig auch die Möglichkeit zur Beschreibung des Links gehört, auch automatisiert - beeinträchtigt, weil Suchmaschinenanbieter zwingend in Geschäftsverhandlungen mit bestimmten Webseitenbetreibern oder deren Repräsentanten eintreten müssten, so wären auch die Nutzer die Leidtragenden.
Im Rahmen der Ermessensbegründung (Rz. 228-240) erläutert das Bundeskartellamt unter anderem, weshalb es überhaupt in der Sache tätig geworden ist (Rz. 231f.). Man wollte "Leitplanken" aufstellen, die nicht zuletzt den Zivilgerichten bekannt gemacht werden sollten, damit diese sie diskutieren könnten:
[...] Die Erfassbarkeit der Tätigkeit einer Suchmaschine wie derjenigen Googles mit den Mitteln der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht wirft eine ganze Reihe neuartiger Fragen auf, welche die vorliegende Entscheidung herausarbeitet. Die Beschlussabteilung sieht ein erhebliches Interesse daran, das Bewusstsein sämtlicher Kartellrechtsanwender hinsichtlich des Bestehens dieser Fragen zu schärfen und ihre derzeitige Position zu diesen Fragen öffentlich zu machen. Angesichts der voraussichtlich noch auf Jahre hinaus – letztlich bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes – unsicheren urheberrechtlichen Frage der Reichweite des Leistungschutzrechtes [sic] aus den §§ 87f ff UrhG sieht die Beschlussabteilung zudem auch ein allgemeines Interesse daran, durch das Setzen entsprechender „Leitplanken“ deutlich zu machen, welche Verhaltensspielräume einer Suchmaschine jedenfalls aus kartellrechtlicher Sicht wahrscheinlich bestehen bzw. welche wahrscheinlich nicht bestehen [...] Die Beschlussabteilung sieht auch ein Interesse daran, dass sowohl ihre konzeptionellen Überlegungen wie auch die Erwägungen zur Interessenabwägung im konkreten Fall den Zivilgerichten bekannt und von diesen diskutiert werden.
Zum Schluss (Rz. 239) nennt das Bundeskartellamt nicht abschließende Gründe, bei deren Vorliegen das Amt sich vorbehält, gegen Google einzuschreiten.
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