Generalanwalt erachtet deutsches Leistungsschutzrecht für unwirksam

Am 17. Dezember 2018 - 11:11 Uhr von Tom Hirche

Die langjährigen Diskussion und zahlreichen Gerichtsverfahren, die um das deutsche Leistungsschutzrecht für Presseverleger geführt werden, dürften in Kürze ein jähes Ende finden. Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hat in seiner Stellungnahme die entsprechenden Vorschriften für unanwendbar erklärt.

Hintergrund

Die Verwertungsgesellschaft VG Media, der sich zahlreiche Verlage angeschlossen haben, liegt schon länger mit Google im Streit. Gegenstand ist die Frage, ob der Internetkonzern dafür Geld zahlen muss, dass er Links zu Verlagswebseiten in seiner Suche und seinem News-Portal präsentiert (man möge sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen).

Für diese Absurdität sollte das bereits 2013 eingeführte Leistungsschutzrecht für Presseverleger sorgen. Bisher sind jedoch weder Cent noch Euro an die Verlage geflossen, dafür aber Millionen in Rechtsberatung. Diese war (und ist) unter anderem notwendig für ein Verfahren, das beim Landgericht Berlin anhängig ist. Die zuständige Kammer hat bereits zu erkennen gegeben, dass sie den von der VG Media geltend gemachten (Zahlungs-)Anspruch zumindest für teilweise begründet hält.

Täglich grüßt das Europarecht

Bevor jedoch ein Urteil ergehen kann, muss eine entscheidende Vorfrage geklärt, die dem Europäischen Gerichtshof vorliegt: Wurde das Leistungsschutzrecht für Presseverleger wirksam eingeführt oder hat der Gesetzgeber nicht vielmehr europarechtliche Vorgaben missachtet?

Für Letzteres infrage kommt die Richtlinie 98/34/EG (inzwischen abgelöst durch Richtlinie (EU) 2015/1535). Diese sieht in Artikel 8 Absatz 1 ein besonderes Verfahren vor, wenn ein EU-Mitgliedstaat ein Gesetz erlassen will, das speziell auf Dienste der Informationsgesellschaft abzielt. Bereits im Entwurfsstadium muss die EU-Kommission über das Vorhaben informiert werden (sog. Notifizierungsverfahren). Anschließend haben neben der Kommission auch die anderen Mitgliedstaaten die Möglichkeit, innerhalb der folgenden Monate eigene Stellungnahmen abzugeben, während das nationale Gesetzgebungsverfahren zu ruhen hat. Die eingegangenen Stellungnahmen müssen vom Gesetzgeber berücksichtigt werde.

Wird dieses Verfahren bei einem notifizierungspflichtigen Gesetz nicht durchlaufen, liegt ein Verstoß gegen EU-Recht vor, der dazu führt, dass die erlassene Regelung unanwendbar ist. So als hätte es sie nie gegeben. 

Leistungsschutzrecht rechtlich nicht existent

Der Generalanwalt Gerard Hogan kommt in seiner offiziellen Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass das Gesetz, mit dem das Leistungsschutzrecht eingeführt wurde (Siebtes Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes), sämtliche Voraussetzungen der Notifizierungspflicht erfülle. Ein Notifizierungsverfahren wurde aber nie durchgeführt. Folglich lautet seine Empfehlung an den Europäischen Gerichtshof, die Regelung für unanwendbar zu erklären. Dies würde eben auch für die Vergangenheit gelten.

Nun kann man die Stellungnahme des Generalanwalts als eine Meinung von vielen abtun. Doch zum einen haben auch schon andere Experten wie z.B. der Rechtswissenschaftler Prof. Thomas Hoeren von der Universität Münster auf die Notwendigkeit eines Notifizierungsverfahrens hingewiesen. Zum anderen folgen die Richterinnen und Richter des Europäischen Gerichtshofs gewöhnlich den Stellungnahmen ihrer Generalanwälte und -anwältinnen.

Dem deutschen Gesetzgeber steht also die ultimative Blamage bevor. Denn aus internen Ministeriums-Mails geht hervor, dass sie über die europarechtlichen Anforderungen schon frühzeitig informiert wurde. Doch getrieben von der Sorge, das Gesetzgebungsverfahren nicht mehr vor Ablauf der Legislaturperiode abschließen zu können, hat sie sich sehenden Auges darüber hinweggesetzt. Wenn der Gerichtshof Anfang nächsten Jahres aller Voraussicht nach also das Leistungsschutzrecht beerdigt, wird sich damit auch die letzte Vorhersage bestätigen und eines der schlechtesten Gesetze sein passendes unrühmliches Ende finden. Leider nur ein schwacher Trost angesichts des Schadens, den es bis jetzt schon verursacht hat.

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