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Manuel Höferlin: Eine Verwertungsgesellschaft fürs Leistungsschutzrecht wäre nicht sinnvoll
Manuel Höferlin, FDP-Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages und Mitglied der Internet-Enquete des Bundestags im IGEL-Interview: Im Rahmen eines Leistungsschutzrechts sollten Presseverleger einen Unterlassungsanspruch erhalten. Weitergehende Rechte und Maßnahmen – vor allem die Schaffung einer Verwertungsgesellschaft – lehnt Manuel Höferlin ab.
Vera Linß: Wie bewerten Sie die Forderung der Presseverleger nach einem Leistungsschutzrecht?
Manuel Höferlin: Ich sehe das differenziert. Zwar kann man erkennen, dass sich die Presseverlage in einer problematischen Situation befinden. Aber das heißt nicht, dass sie nicht auch in der Lage sein müssen, ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Deswegen glaube ich, dass man die Forderung nach einem Leistungsschutzrecht mehrschichtig betrachten muss. Auf der einen Seite haben die Verlage ein Schutzbedürfnis an bestimmten Leistungen, die sie erbringen. Andererseits haben sie kein Geschäftsmodellschutzrecht, ebenso wenig wie das Recht, Geld aus einem Verwertungsgesellschaftstopf zu erhalten.
Mein Modell eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger ist ein vermittelnder Vorschlag zwischen den Befürwortern und einer totalen Ablehnung eines Leistungsschutzrechts mit dem im Raum stehenden Verwertungsungetüm „VG Weblink“ oder wie man es auch immer nennen möchte.
Stellt aus Ihrer Sicht die wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung der Presseverleger – das Design, Schriftsetzung, Aufmachung usw. – einen eigenen Wert dar, der schützenswert ist?
Das ist ja auch in der analogen Welt ein eigener Wert, auch für andere Verwerter in anderen Bereichen der Wirtschaft. Zwischen Urhebern und Nutzern gibt es ja ähnliche schützenswerte Rechtsgüter. Und von daher: ja. Deshalb halte ich ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger für richtig. Allerdings: Die Rechtsfolge, die daran geknüpft ist – was man daraus machen kann, welche Rechte vielleicht auch ein solcher Presseverlag hat – das sehe ich schon ein bisschen differenziert. Weil letztlich ja auch die Presseverlage ein hohes Interesse daran haben, gefunden zu werden und in Newsaggregatoren aufzutauchen.
Das heißt, sie handeln etwas ambivalent. Auf der einen Seite möchten sie sich dagegen wehren, dass andere ihre Werke benutzen. Auf der anderen Seite sind sie dafür, dass sie ihre Werke verkaufen können, sind geradezu auf diese Newsaggregatoren angewiesen und tun ja selbst auch vieles, um dort auch zu erscheinen. Und deswegen glaube ich, müssen sie auch erst mal die Möglichkeiten, die sie selbst haben, ausnutzen und sind nicht berechtigt, gleich aus irgendeinem Topf Geld zu bekommen – etwa über eine Verwertungsgesellschaft.
Konkret plädieren Sie für einen Unterlassungsanspruch für Presseverlage. Was bedeutet das genau?
Grundsätzlich ist es ja in Deutschland so: Wenn jemand ein Eigentumsrecht an etwas hat und jemand anderes nutzt dieses Eigentum ohne die Erlaubnis des Eigentümers, dann kann dieser das Unterlassen dieser Nutzung verlangen. Das ist das erste Mittel, sein Eigentumsrecht durchzusetzen. Dieses Recht haben die Presseverlage nicht. Zwar tun sie auf der einen Seite alles, damit Suchaggregatoren ihre Inhalte nutzen können, indem sie es ihnen nicht nur nicht verbieten, sondern sie bieten sogar über Sitemaps oder ähnliches die Nutzung vereinfacht für diese Newsaggregatoren an. Aber rechtlich haben die Verlage im Moment keine ausreichende Position für den Fall, dass sie anderen verbieten wollten, ihre Inhalte zu nutzen. Diese rechtliche Möglichkeit sollte geschaffen werden.
Umgekehrt könnten sie die Nutzung ihrer Inhalte dann auch unter bestimmten Bedingungen erlauben, indem sie diese zum Beispiel lizenzieren. Das ist Vertragsfreiheit von wirtschaftlich Handelnden. Das findet ja auch im normalen, analogen Wirtschaftsleben statt, dass jemand, der das Recht hat, jemand anderem etwas zu verbieten, es aber auch gestatten kann – beispielsweise unter Zahlung von Geld oder auch kostenfrei. Das ist die Frage, ob es das anderen Leuten wert ist. Und das ist eine Frage, die wir uns als Gesetzgeber nicht stellen sollten, sondern das sollten die beteiligten Parteien ausmachen.
Braucht man dafür ein neues Gesetz? Hätten die Verlage nicht diesen Unterlassungsanspruch ohnehin?
Sie haben einen abgeleiteten Anspruch von Urhebern, dass heißt, sie müssten sich Rechte von Urhebern – das tun sie auch – vollständig übertragen lassen und können dann abgeleitet davon den Anspruch derjenigen, die Texte geschrieben haben, durchsetzen. Es ist aber durchaus auch gerechtfertigt zu sagen, dass sie einen eigenen Anspruch bekommen können. Das macht es ihnen einfacher. Das war der Gedanke bei der Entstehung des Leistungsschutzrechtes, dass viele andere Werkvermittler ja auch haben, und das finde ich in Ordnung. Das kann man den Presseverlegern auch zugestehen.
Nun könnten ja die Verlage durch einfache technische Vorkehrungen verhindern, dass ihre Inhalte gegen ihren Willen von Dritten genutzt werden. Wäre das nicht die viel einfachere Lösung?
Ja, das ist die praktische Durchsetzung eines Anspruchs, den es aber noch nicht gibt.
Aber das könnten sie doch jetzt schon machen.
Google ist aber nicht verpflichtet, sich daran zu halten. Es ist niemand dazu verpflichtet, sich daran zu halten. Das beruht auf der Zusage von Suchmaschinen oder Aggregatoren, das zu tun. Für uns als Gesetzgeber ist nicht relevant, ob jemand sich an technische Vorgaben hält, sondern wir erarbeiten die rechtliche Grundlage. Das steht bei uns im Koalitionsvertrag, den ich als Grundlage für meine Arbeit häufig verwenden möchte. Und deswegen glaube ich, dass man diese Rechtsposition auch schaffen kann. Sie würde rechtlich ermöglichen, was technisch ohnehin schön möglich ist.
Aber würde man damit nicht offene Türen einrennen? Google sagt zum Beispiel: Das ist für uns kein Problem, die Verlage sollen sich einfach auslisten und dann listen wir sie nicht mehr.
Ganz praktisch hätten die Verlage dann aber auch ein Recht, die Unterlassung zu verlangen. Die Newsaggregatoren müssten sich daran halten. Das gibt es derzeit nicht. Das wäre ein Mehr. Und dann könnten die Presseverleger sagen: Ihr dürft unsere Inhalte ausnahmsweise benutzen, wenn das für uns beispielsweise interessant ist oder wenn ihr dafür eine Lizenz zahlt. Das zu regeln, ist dann Aufgabe der Marktteilnehmer, so wie das auch in anderen Bereichen üblich ist. Die Frage ist allerdings, welche weiteren Rechtsfolgen an diesen Unterlassungsanspruch geknüpft sind. Die Schaffung einer Verwertungsgesellschaft per Gesetz halte ich nicht für sinnvoll.
Warum lehnen Sie eine Verwertungsgesellschaft ab?
Ich habe ein Problem damit, dass wir dieses Abwehrrecht aus dem Eigentum dahin münden lassen, dass es eine Zwangsmitgliedschaft in einer Verwertungsgesellschaft mit einer Zwangszahlungsverpflichtung gibt und das Geld dann hinten raus verteilt wird. Denn das wird der Fragestellung gar nicht gerecht. Es geht darum, dass jemand ein Eigentum hat im Internet und einfach damit umgehen können soll; er anderen verbieten können soll, es zu nutzen, oder es erlauben kann.
Die gesetzliche Schaffung einer Verwertungsgesellschaft würde auch der Situation nicht gerecht werden, denn es gibt durchaus Anbieter auf dem Markt, die Inhalte von Verlagen benutzen und weiter verarbeiten, aggregieren, allerdings im kommerziellen Umfeld für Geschäftskunden. Und die haben viele Einzelverträge geschlossen mit Verlagen, die dafür auch Geld erhalten. Diese Geschäftskunden würden von so einem Gesetz negativ betroffen sein, weil sie dann plötzlich trotz ihrer Einzelverträge in eine Verwertungsgesellschaft einzahlen müssten, die ihnen gar nichts nutzen würde. Deswegen glaube ich, dass das nicht das Richtige ist. Wenn man Eigentum schützen möchte, dann braucht man dazu keine Verwertungsgesellschaft.
Es müsste im Prinzip theoretisch jeder einzahlen, der deutsche Verlagsinhalte oder in Deutsch formulierte Verlagsinhalte oder für Deutschland formulierte Inhalte postet – das ist schwierig, das im Internet überhaupt zu formulieren. Was machen wir zum Beispiel mit deutschsprachigen ausländischen Newsaggregatoren, die das vielleicht für österreichische oder Schweizer Nutzer machen. Sollen die dann auch einzahlen oder nicht? Dürfen die das dann überhaupt machen? Wie setzen wir das am Ende durch? Sperren wir dann solche Dienste aus? Wollen wir dann Netzsperren einführen? Ich glaube, es gibt Folgeprobleme, die wir gar nicht diskutieren wollen und ich halte das dann auch nachher praktisch für unheimlich schwer durchsetzbar.
Weil es dann auch schwierig wäre, einen Schlüssel zu finden, nachdem die Einnahmen zu verteilen sind?
Ich verstehe nicht, wie in so einer Verwertungsgesellschaft, in der es eine Zwangsmitgliedschaft gibt, Geld eingezahlt und auch wieder verteilt werden soll. Weil man ja gar nicht genau weiß, wer wo welche Wertigkeit sieht. Mir hat keiner bisher erklären können, wie so eine Verwertungsgesellschaft praktisch funktionieren soll oder wie Autoren daran beteiligt werden sollen. Das ist ein sehr abstrakter Vorschlag, der im Raum steht. Ich glaube übrigens, dass am Ende, wenn wir solch ein Leistungsschutzrecht schaffen würden – dass letztlich das Eigentum schützt und mit den klassischen Unterlassungsmöglichkeiten das Eigentumsrecht durchsetzen kann – dass sich am Ende wahrscheinlich sehr wenig verändern würde im Vergleich zur aktuellen Situation.
Glauben Sie, dass diese Regelung, die Sie jetzt vorschlagen, im Interesse der Verlage ist? Denn denen geht es ja eigentlich darum, neue Geldquellen zu erschließen und das, was schon an Inhalten im Umlauf ist, zu Geld zu machen. Und eigentlich weniger darum, dass sie durch ein Unterlassungsrecht die Möglichkeit hätten, zu verhindern, dass sie verlinkt werden.
Ja, das ist ganz erstaunlich. Meine Erfahrung in den Gesprächen, die ich in den letzten Wochen führe, mit übrigens allen Beteiligten, ist, dass fast alle – die Newsaggregatoren, die Presseverlage, aber auch viele Kollegen in der Politik, viele Verbände – sich mit dem Vorschlag sehr gut anfreunden können. Ich war persönlich auch ein bisschen überrascht. Ich hätte gedacht, dass viele Verlage mehr Probleme damit haben. Aber es ist offensichtlich ein gangbarer Weg, mit dem alle gleich gut oder gleich schlecht leben können. Von daher habe ich auch den Eindruck, dass es eine Möglichkeit ist, ein Kompromiss zu finden, mit dem alle nachher zufrieden sein können.
Wie realistisch ist der Vorschlag, den Sie auch gemacht haben, dass sich Presseverleger und die kommerziellen Dienstleister auch über Vergütungen und Vergütungsmodelle einigen? Wie man hört, hat Google kein Interesse, etwas zu zahlen, und andere, wie Rivva, könnten gar nicht zahlen.
Es ist letztlich ja nicht Aufgabe vom Gesetzgeber, der eine Rechtsposition schafft für jemanden, der ein Eigentum hat, zu überlegen, wie die Beteiligten sich nachher wirtschaftlich einigen, gegenseitig das Eigentum des anderen zu nutzen. Ich kann mir auch vorstellen, dass Verlage sagen, sie hätten ein Interesse, dass weiterhin ihre Inhalte auch gefunden werden. Und ich kann mir auch vorstellen, dass Newsaggregatoren der Meinung sind, dass sie das weiterhin machen wollen, aber dafür nicht bereit sind, Geld zu zahlen. Das müssen sich die Beteiligten am Ende selbst ausdenken. Ich möchte weder festlegen, dass dort Geld fließt, noch möchte ich es ausschließen. Ich will auch nicht festlegen, dass nichts stattfindet. Das ist die Frage der Wertigkeit dieses Eigentumsrechtes, das dort geschaffen wird.
Kann man davon ausgehen, dass Ihr Vorschlag in einen Gesetzentwurf gegossen wird?
Ich wünsche es mir. Die Frage ist: Wird es von vielen Seiten eine Zustimmung geben? Wenn ja, könnte ich mir schon vorstellen, dass das nachher zum Gesetz wird. Als Abgeordneter hat man immer nur die Möglichkeit, gute Ideen auf den Weg zu bringen.
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