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Tabea Rößner: „Sprache kann man nicht in dieser Form limitieren”
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Ein Leistungsschutzrecht wird Journalisten und kleinen Verlagen nicht nützen, sagt Tabea Rößner. Im Interview wendet sich die medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag gegen einen Schutz von Snippets und Überschriften und hält die Unterscheidung von privater und beruflicher Pressenutzung für nicht praxistauglich.
Philip Banse: Sie sagen, das Leistungsschutzrecht wäre eine Fehlentscheidung. Warum?
Foto: Grüne-BT, Stefan Kaminski
Tabea Rößner: Es ist schwierig, das geplante Leistungsschutzrecht zu bewerten, wenn der Gesetzesentwurf noch nicht vorliegt. Dass die Regierung für den Entwurf so lange braucht, zeigt, wie schwer es ist, die vagen Vorstellungen der Verlage und der Regierung in einen Gesetzestext zu überführen. Was genau geschützt werden soll, ist immer noch völlig unklar.
Aus medienpolitischer Sicht stellt sich vor allem die Frage, inwiefern Journalistinnen und Journalisten vom Leistungsschutzrecht betroffen sind? Profitieren sie davon oder – was ich eher befürchte – bringt es Nachteile für sie? Es stellt sich außerdem die Frage, welche Nutzung von einem Leistungsschutzrecht erfasst werden soll. Und was fällt unter kommerzielle oder gewerbliche Nutzung? Welche Kosten entstehen beispielsweise für die für die öffentliche Hand und für Unternehmen, wenn sie für das Verwenden von Texten - wie auch immer - zahlen müssen?
Solange diese Fragen nicht geklärt und die Positionen nicht klar sind, kann ich das nicht befürworten. Außerdem bin ich ziemlich sicher, dass das Leistungsschutzrecht nicht den Effekt haben wird, den sich die Verlage davon versprechen, nämlich Journalismus bzw. die Verlage finanziell zu sichern.
Sie sagen, ein Leistungsschutzrecht würde nur großen Verlagen helfen, vor allem Lokalzeitungen würden weitgehend leer ausgehen. Warum?
Das Geld, das für die - wie auch immer geartete - Nutzung von Verlagsprodukten eingesammelt wird, soll ja über eine Verwertungsgesellschaft ausgeschüttet werden. Da wird ausgewertet werden: Wo sind die meisten Klicks? Und natürlich hat eine Lokalzeitung weniger davon als ein überregionales Medium. Die kleinen Verlage und Zeitungen werden sicher weniger von einem Leistungsschutzrecht profitieren, deswegen muss man sich überlegen, ob es nicht eine gezieltere Unterstützung für solche Verlage geben kann.
Was noch diskutiert wird sind die Snippets, kurze Wortfolgen, etwa Überschriften. Die sind ja noch mal etwas anderes als ein Zitat. Ein Zitat darf nicht eine bestimmte Länge überschreiten, muss in einen Kontext eingebettet sein und es muss eine Quelle angegeben werden. Bei einem Snippet ist das anders. Mit einem Snippet darf man heute eigentlich alles machen, was man will. Haben die Verleger nicht ein Recht auf Überschriften, die sie geschaffen haben? Haben sie nicht das Recht zu sagen: wenn ihr die verwenden wollt, müsst ihr zahlen?
Bei Überschriften ist das so eine Sache. Ich habe neulich drei identische Überschriften in drei verschiedenen Zeitungen gelesen, und die waren nicht aus einem Medienkonzern, sondern aus drei verschiedenen Verlagen. Und dann müsste man sich fragen: Wer hat denn nun das Recht darauf? Der Erste, der ein Online-Angebot daraus macht, kann der dann diese Überschrift schützen und alle anderen müssen dann Rechte kaufen oder Lizenzgebühren zahlen? So eine Überschrift ist ja oft nicht länger als drei, vier Wörter und bei bestimmten Sachverhalten kommt man ja häufig auf eine bestimmte Überschrift, das bietet sich oft geradezu an. Manchmal sind es ja auch Zitate von bestimmten Akteuren.
Was wäre denn der Nebeneffekt, wenn man das durchsetzen würde?
Dass Wortwendungen geschützt würden, die im normalen Sprachgebrauch vorkommen. Sprache kann man doch nicht in dieser Form limitieren und den Zugang dazu erschweren, dass man sie nicht mehr verwenden kann. Das wäre doch hirnrissig.
Was die Snippets betrifft: Das ist ja das Schöne am Internet- durch Snippets wird ja Interesse an einem Text geweckt. Ich guck mir den an aufgrund von zwei Sätzen, die ich lese. Hätte ich die Snippets nicht in einer Suchmaschine, gehe ich vielleicht gar nicht auf die Verlagsseite. Ich kann ja verstehen, wenn die Verlage an die Google-Milliarden ran wollen, aber ich sehe momentan nicht, wie das geregelt werden könnte. Oder was ist zum Beispiel mit Presseschauen? Das ist auch schwierig. Die könnten ihr Angebot ja nicht mehr so ohne weiteres zur Verfügung stellen.
Das zweite Argument der Verleger betrifft die gewerbliche Nutzung. Für den privaten Gebrauch sollen Inhalte weiter zur freien Verfügung stehen. Die geschäftsmäßige Nutzung – vielleicht nicht das Lesen, aber das Speichern und Ausdrucken von Medienprodukten online – sollte schon lizenziert und auch bezahlt werden. Können Sie sich vorstellen, wie man so etwas in der Praxis umsetzen soll?
Schwierig, denn da stellt sich erst einmal die Frage der Abgrenzung: Was ist gewerblich und was nicht? Oder man stelle sich vor: Wenn ich einen journalistischen Artikel lese, nur lese, dann soll das nicht unters Leistungsschutzrecht fallen. Wenn ich ihn aber ausdrucke, um ihn später zu lesen, ihn aber hinterher nicht verwende, muss ich dafür zahlen, weil das Drucken dann unter „Vervielfältigung“ fällt.
Und wie soll ich nachweisen, ob ich das jetzt aus beruflichem oder persönlichem Interesse tue? Kann ich das beispielsweise als Journalistin, die Artikel für Recherchen braucht, überhaupt trennen? Außerdem könnte das auch mit dem Urheberrecht und dem Recht auf eine Privatkopie kollidieren.
Banker werden ja immer angeführt. Wenn ein Banker morgens den Wirtschaftsteil online liest und sich den Text ausdruckt, ist das dann eine gewerbliche Nutzung, weil er die Informationen für seine Arbeit nutzt? Aber ist es das dann auch, wenn er dies zuhause am Frühstückstisch macht und nicht im Büro? Wie will man das abgrenzen?
Betroffen von einem Leistungsschutzrecht wären auch die Autoren, die zwar nicht ihr Urheberrecht, wohl aber die Nutzungsrechte an ihren Texten an Verlage abtreten können. Inwiefern würden Autoren von einem Leistungsschutzrecht profitieren?
Das Urheberrecht der Autoren und die Leistung der Verlage lassen sich in der Praxis kaum trennen. Ich frage mich, was nicht schon über das Urheberrecht geregelt ist? Wahrscheinlich werden Journalisten immer stärker Buy-Out-Verträge übergestülpt bekommen, damit sie alle Nutzungsrechte verlieren.
Gerade freie Journalisten arbeiten ja so, dass sie für mehrere Verlage Texte schreiben. Natürlich überschneiden sich manche Texte oder ein Artikel wird in mehreren Zeitungen abgedruckt. Das wäre mit einem Leistungsschutzrecht schwieriger. Ich glaube nicht, dass freie Journalistinnen und Journalisten davon profitieren. Und die Autoren sind nun mal diejenigen, die journalistische Angebote produzieren. Auf sie und auf guten unabhängigen Journalismus kommt es mir in erster Linie an.
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