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Klaus Minhardt: Journalisten werden vom Leistungsschutzrecht nicht viel haben
Dass Journalisten-Gewerkschaften die Forderung nach einem Leistungsschutzrechts für Verleger unterstützen, wird in den eigenen Reihen scharf kritisiert. Klaus Minhardt, Geschäftsführer des Brandenburger Landesverbands des DJV, im IGEL-Interview: Als Gegenleistung für die gewerkschaftliche Unterstützung für ein Leistungsschutzrecht hätten die Verleger lediglich die gemeinsamen Vergütungsregeln für Print-Journalisten unterschrieben – ein „Papiertiger ohne Bedeutung”.
Philip Banse: Sie lehnen ein Leistungsschutzrecht für Presse-Verlage ab. Musikverlage und Filmproduzenten wird jedoch ein Leistungsschutzrecht gewährt. Haben nicht auch die Verleger ein Recht darauf, dass ihre Leistung – Technik, Layout, Überschriften, redaktionelle Auswahl – geschützt wird?
Foto: DJV-BB
Klaus Minhardt: Es verlangt ja von Musik- und Filmverlagen niemand, ihre Produkte zu verschenken. Es hat die Verleger niemand gezwungen, ihre Inhalte kostenlos ins Netz zu stellen.
Sie könnten eine Paywall errichten. Die New York Times hat jetzt 324.000 zahlende Abonnenten ihrer digitalen Ausgaben. Verlage können also sehr wohl journalistische Inhalte im Netz verkaufen. Es ist aber viel bequemer, einfach zu sagen: „Ich habe hier ein Recht, das Leistungsschutzrecht, bitte zahlen.“
Verdi und der Deutsche Journalistenverband (DJV) unterstützen die Forderung der Verleger nach einem Leistungsschutzrecht. Brandenburg hat sich im Bundesvorstand des DJV angeblich als einziger Landesverband gegen ein Leistungsschutzrecht gestellt. Warum haben alle anderen zugestimmt?
Die anderen Landesverbände haben sich verkauft. Das war im Grunde ein Geschäft. Es ging um die gemeinsamen Vergütungsregeln, über die sechs Jahre verhandelt wurde. Sechs Jahre haben sich die Verleger keinen Millimeter bewegt, dann haben sie gesagt: Wir unterschreiben euch diese gemeinsamen Vergütungsregeln, wenn ihr uns beim Leistungsschutzrecht unterstützt. Die Journalisten sollten demnach zwischen 30 und 50 Prozent der Einnahmen aus dem Leistungsschutzrecht erhalten. Die gemeinsamen Vergütungsregeln wurden zwar unterschrieben, aber es hält sich keiner dran. Sie sind ein Papiertiger ohne Bedeutung. Die Verleger allerdings haben jetzt die Unterstützung der Gewerkschaften in Sachen Leistungsschutzrecht.
Aber in den Ohren vieler Journalisten klingt das doch erstmal ganz gut, wenn sie die Hälfte der Einnahmen bekommen würden.
Ich habe nichts gegen die Hälfte der Einnahmen. Die Frage ist aber, wie das Geld verteilt wird, wer es wirklich bekommt. Die Verlage werden sagen, dass unter vielen Artikeln der Name eines angestellten Redakteurs steht. So werden die Verlage versuchen, den Journalistenanteil selber zu kassieren. Und was wird mit den freien Journalisten? Die Mehrzahl der freien Journalisten wird von den Verlegern ausgebeutet. In der Provinz bekommen Journalisten von Lokalzeitungen für einen Artikel 15 Euro. Dann erpressen die Verlage den Journalisten noch, indem sie sagen: Für dieses lächerliche Honorar wollen wir auch noch einen Total-Buy-Out, der Autor soll also alle Nutzungsrechte abtreten. So ist das heute Usus. Und wer bekommt dann die andere Hälfte der Einnahmen aus dem Leistungsschutzrecht? Auch die fließt so zum Verleger.
Woher nehmen sie das?
Weil derjenige, der die Nutzungsrechte am Text hat, auch beim Leistungsschutzrecht kassieren wird.
Das steht nirgends.
Natürlich steht das nirgends, denn das klingt nicht gut.
Dennoch gehen Sie davon aus, dass Journalisten von einem Leistungsschutzrecht nicht viel haben werden?
Wir müssten die Journalisten dazu bringen, nicht komplett auf ihre Nutzungsrechte zu verzichten, dem Total-Buy-Out zu widerstehen. Das können sich aber nur ein paar wenige, gute Fachjournalisten leisten.
Wie würde denn ein Leistungsschutzrecht mit dem Urheberrecht der Autoren zusammen gehen?
Gar nicht. Wenn das Leistungsschutzrecht funktionieren soll, muss es ein Teil des Urheberrechts sein.
Warum?
Ein rechtlich einwandfreies Leistungsschutzrecht würde heißen, ich schütze die Zusammenstellungsleistung des Verlages: Die 500 Artikel in der Zeitung sind, so wie sie in der Datenbank zusammengestellt sind, geschützt. Das macht aber im Internet keinen Sinn. Denn wenn ich über Google auf die Nachricht gehe, dann gehe ich ja nicht auf die Zusammenstellungsleistung des Verlags, sondern auf die Zusammenstellungsleistung von Google. Dann wäre Google der Bezieher des Leistungsschutzrechts und das wollen die Verleger ja auf keinen Fall. Layout, Schrift und ähnliches werden vom Telefon, vom Endgerät bestimmt und sehen jedes Mal völlig anders aus.
Aber inwiefern ist hier das Urheberrecht der Autoren betroffen?
Die Verleger sagen, wir verbieten Google und anderen, die Snippets zu nutzen, also diese Kurztexte, mit denen die Links beschriftet werden. Diese Nutzung der Snippets hat der Bundesgerichtshof jedoch mehrfach erlaubt: Wer etwas ins Internet stellt und es nicht schützt, muss damit rechnen, dass jemand anderes darauf Links setzt. Christoph Keese, Cheflobbyist des Springer Verlags, sagt, er habe nichts dagegen, dass jemand einen Link setzt, er dürfe ihn nur nicht mit dem Inhalt beschriften. Wenn Springer sich aber das Recht herausnimmt, diese Linkbeschriftung zu verbieten, greift der Verlag in die Rechte des Urhebers ein.
Was würde das in Praxis bedeuten?
Im schlimmsten Fall müssten die Autoren bezahlen, wenn sie auf ihre eigenen Artikel verlinken. Ein abstruser Gedanke.
Derzeit wird immer noch an einem Gesetzentwurf für ein Leistungsschutzrecht gearbeitet. Wissen Sie, was drin stehen wird?
Nein. Alle Wünsche, die ich bisher gehört habe, sind rechtlich nicht einwandfrei machbar. Die Regierung doktert ja nun schon lange an der Geschichte rum und kommt zu keinem Vorschlag. Es gibt einfach viel Widerstand. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie ist sehr skeptisch, weil die Unternehmen keine Abgaben an die Verleger zahlen wollen. Christoph Keese will zwar keine Zwangs-Abgabe, es soll alles freiwillig sein. Wie will man das denn machen? Irgendein Bankberater schaut auf sein privates iPhone und liest etwas über ein Aktie. Kein Mensch weiß, dass er das getan hat und es bleibt kostenlos. Liest der denselben Artikel über den Internet-Zugang seiner Bank, soll es kostenpflichtig sein. Das Leistungsschutzrecht wird spätestens an der Umsetzung scheitern.
Gehen Sie davon aus, dass das Leistungsschutzrecht noch Gesetz wird?
So ganz sicher bin ich mir nicht. Einige führende FDP-Vertreter sind raus gebrochen. Es gibt auch in der Union Abgeordnete, die nicht mehr hinter der Idee stehen. Und man muss auch sehen, wie sich die Verhältnisse im Bundesrat ändern. Und erst wenn man mal die Ausgestaltung des Gesetzes kennt, kann man sagen, ob der Bundesrat zustimmen muss. Im Moment, weiß niemand, wie das ausgeht.
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