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Argumente

Die Forderung nach einem Leistungsschutzrecht für Presseverleger ist sehr umstritten. Viele Argumente wurden dafür, mehr noch dagegen vorgebracht. In unserer Sektion „Argumente” wird der komplexe Diskurs systematisiert, indem die jeweiligen Argumente, die für und gegen ein solches Leistungsschutzrecht sprechen, gegenüber gestellt werden. Dies soll dabei helfen, die Problematik zu verstehen, sich einen Überblick zu verschaffen und eine eigene Meinung zu bilden.

Pro&Contra

Pro Das Leistungsschutzrecht hilft allen Verlagen gleichermaßen

Contra Kleine Verlage werden vom Leistungsschutz nicht profitieren

Das Leistungsschutzrecht soll ein wichtiges Instrument für alle Presseverlage sein, um neue Geschäftsmodelle erschließen zu können. Es bedarf eines eigenen Leistungsschutzrechts, um neue Einnahmequellen für Online-Angebote erschließen zu können. Der Gesetzgeber solle hiermit ein gesetzliches Paid Content schaffen (Hubert Burda).  

„Bezeichnenderweise wird die Forderung nach einem Leistungsrecht gerade von den sehr großen Verlagshäuser erhoben. Sollte ihr Plan umgesetzt werden, müsste zunächst eine neue Verwertungsgesellschaft geschaffen werden. Diese hätte das Ziel, möglichst viel Geld einzusammeln und die Einnahmen (nach Abzug eines Anteils für die interne Verwaltung) an die Verlage auszuschütten. Der Verteilungsschlüssel würde von der Verwertungsgesellschaft festgelegt.

Pro Kollisionen zwischen Leistungsschutz- und Autorenrechten sind ausgeschlossen

Contra Das Leistungsschutzrecht würde die Urheberrechte der Journalisten einschränken

„Das Urheberrecht des Autors an seinem Text und das Leistungsschutzrecht des Verlegers an dem Presseerzeugnis stehen nebeneinander, behindern sich wegen ihres unterschiedlichen Gegenstandes aber nicht. Der freie Autor kann seinen Artikel wie bisher an mehrere Publikationen verkaufen.” (Fiedler)

Die Verlage verlangen ein Recht, das sich (auch) auf die einzelnen Inhalte erstreckt, indem es Schutz gegen die Übernahme der Texte, Bilder und anderer Werke verleiht, aus denen Zeitungen und Verlagswebseiten bestehen. Ein solches Leistungsschutzrecht würde die Urheberrechte an den Bestandteilen des Presseerzeugnisses (Artikel, Fotos, einzelne Formulierungen aus den Artikeln) unweigerlich überlagern. Es ginge weit über das hinaus, was anderen Inhabern von Leistungsschutzrechten zusteht (Bitkom).

Pro Die Nutzungs- und Kommunikationsfreiheit wird durch das Zitatrecht gewährleistet

Contra Das Zitatrecht kompensiert die Ausweitung des Schutzes auf Wortschnipsel (Snippets) nicht

Die Kommunikationsfreiheit bleibt durch die Zitierfreiheit gewährleistet. Das urheberrechtliche Zitatrecht soll in vollem Umfang auch für das Leistungsschutzrecht gelten (SchweizerBDZV und VDZ). 

Die Verlage wollen mit dem Leistungsschutzrecht unter anderem erreichen, dass kurze Textausschnitte (Snippets), wie sie vor allem in den Suchmaschinen angezeigt werden, geschützt sind. Bislang sind sie gemeinfrei, weil sie – mangels Schöpfungshöhe – nicht unter das Urheberrecht fallen. Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Paperboy-Urteil entschieden. Im Ergebnis heißt das, dass hiermit jeder „machen kann, was er will”. Weder müssen für Überschriften, einzelne Sätze oder gar Wörter, Vergütungen bezahlt werden, wenn sie ein anderer nutzen will, noch braucht man dafür eine Erlaubnis. 

Pro Eingriffe in die Kommunikationsfreiheit sind ausgeschlossen

Contra Das Presse-Leistungsschutzrecht wird die Kommunikationsfreiheiten empfindlich beeinträchtigen

Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage führt zu keinerlei Einschränkungen von bisherigen Freiheiten. Die Kommunikationsfreiheit bleibt durch die Zitierfreiheit gewährleistet, die durch das Leistungsschutzrecht nicht berührt werden soll (Schweizer, BDZV und VDZ).

Ein Monopolrecht, das kleine Textausschnitte, kurze Wortfolgen wie einzelne Sätze oder Überschriften erfasst, wird unweigerlich den Umgang mit der Sprache an sich einschränken. Das Urheberrecht vermeidet solche negativen Effekte. Es ist ein selbstverständlicher Grundsatz, dass nicht die Sprache an sich, sondern nur konkrete Formulierungen geschützt sind. Urheberrechtsschutz entsteht erst ab einer gewissen „Schöpfungshöhe”. Kurze Wortfolgen, Überschriften oder einzelne Sätze in Presseartikeln sind in aller Regel nicht urheberrechtlich geschützt. 

Pro Vergütungen nach dem Leistungsschutzrecht sind freiwillig - es schafft kein Zwangsabgabemodell

Contra Der Leistungsschutzrechtsvergütung wird sich kaum ein gewerblicher Nutzer entziehen können

Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage hat nichts mit einer „Presse-GEZ” gemein. Dementsprechende Aussagen sind irreführend und unwahr (Döpfner). Zahlen muss nur, wer nutzen will. „Wer das Angebot nicht annehmen will, nutzt nicht und zahlt nicht” (Fiedler). „Deshalb ist auch falsch, den Eindruck zu erwecken, mit dem Leistungsschutzrecht würde eine staatliche Zwangsabgabe geschaffen.” (BDZV).

Sofern Leistungen von Suchmaschinen und Aggregatoren durch das Leistungsschutzrecht erfasst werden, ist die Möglichkeit, der „Nutzung” zu entgehen, rein theoretischer Natur. Zwar ist es möglich, dass solche Dienste Verlagsangebote ausschließen. Das wäre aber einerseits nicht im Interesse der Verlage und würde im Zweifel von diesen angegriffen, etwa mit kartellrechtlichen Mitteln.

Pro Ein eigenes Leistungsschutzrecht ist nötig, damit sich die Presseverlage gegen die massenhaften Rechtsverletzungen im Internet wehren können

Contra Die Rechtsverfolgung zu erleichtern ist keine Rechtfertigung dafür, ein Monopolrecht zu schaffen

Im Internet findet täglich massenhafter Rechtsbruch statt (Döpfner). „Ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger ist überfällig, um die gemeinsame Leistung von Journalisten und Verlegern angesichts millionenfacher unkontrollierter Vervielfältigungen durch Dritte wirksam schützen zu können.” (BDZV). 

Dagegen, ein Leistungsschutzrecht einzuführen, um den Presseverlagen die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, sprechen maßgeblich zwei Gründe: Zum einen ist schon nicht belegt, dass die Presseverlage über das normale Maß Probleme mit Rechtsverletzungen haben. Zum anderen würde das bedeuten, „mit Kanonen auf Spatzen zu schießen”. Um die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, sind rechtliche Maßnahmen möglich, die weit weniger Kollateralschäden und Eingriffe in die Rechte Dritter nach sich ziehen.

Pro Viele andere Länder gewähren ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Contra Ein Presseleistungsschutzrecht, wie in Deutschland gefordert, wäre international einmalig

Deutschland hinkt im internationalen Vergleich hinterher. „In anderen Ländern gibt es vergleichbare Rechte der Verleger längst” (Hegemann). „Ausländische Rechte tendieren zum Leistungsschutz für Verlage” (Schweizer). Vor allem in Großbritannien wird bereits seit 1956 das so genannte Publisher's Right gewährt. Nach dessen Vorbild führten auch viele andere Länder ein Verlegerrecht ein.

Ein Leistungsschutzrecht, wie es von den deutschen Presseverlagen gefordert wird, gibt es in keinem anderen Land auf der Welt. Es wäre ein internationales Novum, das in dieser Form weder im internationalen noch im europäischen Urheberrecht existiert.

Pro Presseverlage müssen mit Tonträger- und Filmherstellern gleichgestellt werden

Contra Die Leistungen der Presseverleger sind mit denen anderer Werkmittler nicht vergleichbar

„Wir wollen nicht mehr als das, was andere – nämlich Fernsehsender, Konzertveranstalter, Filmproduzenten, Datenbankhersteller und viele weitere Branchen – seit Jahrzehnten haben” (BDZV und VDZ in einer gemeinsamen Pressemitteilung). Die Presseverleger werden gegenüber anderen "Werkmittlern" wie Filmproduzenten, Tonträgerherstellern, Sendeunternehmen oder Konzertveranstaltern, benachteiligt, sie stehen rechtlich „nackt da” (Hegemann). 

Die Leistungen der Presseverleger sind mit denen anderer Werkmittler, die nach geltendem Recht Leistungsschutzrechte haben, nicht vergleichbar.

Pro Die Presseverlage benötigen ein Leistungsschutzrecht, um im Internet Geld verdienen zu können

Contra Der Online-Markt ist im Wandel, neue Geschäftsmodelle müssen entwickelt werden und sich bewähren

Mit Journalismus kann man im Internet „derzeit nicht verdienen” (Christoph Keese). Alle Versuche, journalistische Online-Angebote gewinnbringend auszugestalten, sind gescheitert. Da der Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt mehr und mehr zurückgeht, ist der Qualitätsjournalismus in Deutschland an sich in Gefahr.

Vielen Presseverlagen geht es keineswegs so schlecht, wie es meist dargestellt wird. Insbesondere die großen Presseverlage (allen voran der Axel-Springer-Verlag) verkünden kontinuierlich Rekordumsätze und große Umsatz- und Gewinnsteigerungen. Anfang November 2010 wurde etwa bekannt gegeben, dass Axel Springer in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres „das um Sondereffekte und Kaufpreisallokationen bereinigte Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) um 45,9 Prozent auf EUR 385,8 Mio. (Vj.: EUR 264,5 Mio.)” steigerte.

Pro Die Verleger werden „schleichend enteignet”!

Contra Von „Enteignung” kann keine Rede sein!

Suchmaschinen, News-Aggregatoren, Provider und andere Internet-Anbieter verdienen mit den Inhalten der Presseverlage viel Geld, nicht aber die Verlage selbst. Von Online-Werbung profitieren vor allem die Suchmaschinenbetreiber, während die Verlage nur geringe Umsätze erzielen. Das muss sich ändern. Hubert Burda schreibt in der F.A.Z.: „Wer die Leistungen anderer nutzt, muss dafür bezahlen. Dieses ökonomische Grundprinzip muss auch im digitalen Zeitalter mit seiner ,Link-Ökonomie' gelten. Sonst sehen wir der schleichenden Enteignung der Inhalte-Produzenten tatenlos zu.”

Suchmaschinen, News-Aggregatoren und andere Internet-Dienstleister verstoßen nicht gegen das Gesetz. Weder übernehmen („klauen”) sie ganze Inhalte oder Artikel der Verlage noch beuten sie deren Leistungen aus. Vielmehr sorgen sie für einen großen Teil der Werbeeinnahmen, die über die Webseiten der Presseverlage generiert werden, da sie die Reichweite der Angebote maßgeblich mitbestimmen.

Pro Das Leistungsschutzrecht soll Schutzlücke schließen

Contra Die Presseverlage werden ausreichend durch das Urheberrecht geschützt

Das Leistungsschutzrecht wird benötigt, um eine Schutzlücke zu füllen. Anders als andere Werkmittler haben die Verlage keine eigenen Eigentumsrechte an ihren Leistungen. Sie sind daher „schutzlos ausgeliefert im Internet“ (Hegemann). Auch die Presseverlage „brauchen die Sicherheit, dass ihnen das ausschließliche Recht auf Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Wiedergabe und öffentliche Zugänglichmachung für Presseerzeugnisse zusteht, und das muss auch für digitale Medien gelten.” (Hubert Burda).

Eine Schutzlücke existiert nicht. Die Verlage lassen sich umfassend Rechte von den Journalisten einräumen (durch Autoren- oder Arbeitsverträge, allgemeine Geschäftsbedingungen wie Autoren- und Publikationsbedingungen, Tarifverträge etc.).